IAA zwischen Vernunft und Träumerei
18. September 2005Ein Rundgang über das riesige Messegelände in Frankfurt macht klar: Autos haben noch immer eine unglaubliche Anziehungskraft. Dicht umringt sind vor allem die Edelkarossen, bei denen man lieber nicht auf das Preisschild schaut - und auch nicht fragt, wie viel Benzin denn ein Auto mit einem 500-PS-Motor im Stadtverkehr verbraucht. Absatzprobleme haben die Hersteller solcher Wagen kaum, die meisten Besucher aber wenden sich dann doch den bezahlbaren, benzinsparenderen Modellen zu. Und die sind nicht in erster Linie an den Ständen der deutschen Marken zu finden, sondern bei Franzosen und Japanern.
Umwelt und Geldbeutel
Wer aber immer gleich mit dem Argument kommt, die Deutschen hätten irgendeine Entwicklung verschlafen - beispielsweise den Hybrid-Motor - der sollte genau überlegen: Vor 15 Jahren schon bot ein deutscher Hersteller jene Kombination aus Benzin- und Elektromotor an. Das wollte damals keiner haben. Die Japaner ihrerseits haben einen besseren Zeitpunkt erwischt. Die nun eilig geschmiedeten Allianzen, auch zwischen eigentlichen Kontrahenten wie DaimlerChrysler und General Motors, werden in Kürze zu einem gesunden Wettbewerb bei den Hybriden führen. Der Umwelt und dem Geldbeutel der Autofahrer kann das nur recht sein.
Eine Messe wie die Autoschau in Frankfurt ist auch immer eine Messe der Hoffnungen. Die Branche leidet weiter unter Überkapazitäten und Kostenproblemen, erlebt einen knallharten Wettbewerb und hat sich zudem auf wichtigen Märkten in eine beinahe ruinöse Rabattschlacht manövriert. Für die deutschen Massenhersteller wie Volkswagen oder Opel sind schon längst harte Zeiten angebrochen - das Management reagiert mit Sparprogrammen und Entlassungen. Anders bei Premium-Marken wie BMW oder Porsche. Die können es sich leisten, ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland abzugeben, eröffnen neue Werke und bauen die Produktion im Lande aus. Ein differenziertes Bild also im Geburtsland des Automobils. Aber: Noch immer ist Deutschland eines der weltweit wichtigsten Produktionsländer. Jeder siebte Job hängt direkt oder indirekt am Auto. Und: Die deutschen Hersteller nutzen die Chancen der Globalisierung: In 80 Ländern der Welt sind sie mit Werken vor Ort. Das sichert auch Beschäftigung an den Heimat-Standorten.
Goethe bringt es auf den Punkt
Johann Wolfgang von Goethe, der in Frankfurt geborene deutsche Dichterfürst, brachte es seinerzeit auf den Punkt: Wie in einer Nussschale könne man die ganze Welt auf so einer Messe sehen. Man möchte hinzufügen: Und ihre Probleme auch. Die Autoschau unter den Wolkenkratzern der Bankenmetropole ist etwas fürs Herz. Die Probleme fangen draußen an: Bei den Benzinpreisen an der Tankstelle. Nach der Träumerei kommt eben doch die Vernunft.