ILO kritisiert deutsche Lohnzurückhaltung
24. Januar 2012Löhne und Gehälter in Deutschland sind nach Ansicht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu niedrig. Im Vergleich zu anderen Ländern hätten sich die Kosten der Arbeit seit der Wiedervereinigung 1990 sogar verringert, heißt es im diesjährigen globalen Beschäftigungsbericht, den die UN-Spezialorganisation am Dienstag (24.01.2012) vorlegte.
Die vergleichsweise niedrigen Löhne kritisiert die ILO als strukturelles Problem für den Euro und die Euroländer. Deutsche Exporteure hätten dadurch Wettbewerbsvorteile, während Euro-Krisenländer umgekehrt nicht stärker nach Deutschland exportieren könnten, weil dort die Binnennachfrage mangels Einkommenssteigerung hinterherhinke.
Weltweit mehr Arbeitslose
Positiv vermerkt die ILO, dass Deutschland in Europa zu den wenigen Ländern gehöre, "in denen die Beschäftigung nicht unter dem Stand vor Ausbruch der Krise zurückgeblieben ist". Künftig solle die deutsche Wirtschaft aber mehr die Produktivität fördern, anstatt bei den Löhnen auf die Bremse zu treten.
Weltweit habe die Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren zugenommen, heißt es in dem ILO-Bericht weiter. 2007, vor dem Beginn der Finanzkrise, seien 170 Millionen Menschen arbeitslos gewesen. Heute sind es demnach es 197 Millionen, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6 Prozent. In Europa habe die Arbeitslosigkeit mit 45 Millionen Betroffenen einen "historischen Höchststand" erreicht.
Arm trotz Arbeit
Weitere 900 Millionen Menschen vor allem in Entwicklungsländern seien arm, obwohl sie Arbeit haben, rechnet die ILO weiter vor. "Jeder dritte Arbeitnehmer auf der Welt ist arbeitslos oder lebt trotz Arbeit in Armut - das sind rund 1,1 Milliarden Menschen", sagte ILO-Generalsekretär Juan Somavia.
Die Schaffung neuer Arbeitsplätze müsse oberste Priorität bekommen, so Somavia. Schon allein wegen des weltweiten Bevölkerungswachstums seien in den kommenden zehn Jahren rund 600 Millionen neue Jobs nötig, sonst werde sich die Arbeitslosigkeit weiter verschärfen.
Autor: Dirk Eckert (dpa, epd)
Redaktion: Rolf Breuch