Homosexualität: Ein Tabu im Wintersport?
10. Januar 2014Thomas Hitzlsperger ist kein Wintersportler, er hat seine Fußball-Karriere bereits hinter sich und doch hat er den Termin für sein öffentliches Coming-out mit Bedacht gewählt. Knapp einen Monat vor den Winterspielen in Wladimir Putins Reich, wo so genannte homosexuelle Propaganda unter Strafe steht, wollte Hitzlsperger als ehemaliger deutscher Fußball-Nationalspieler ein Zeichen setzen.
Und der Ex-Profi ist nicht der Einzige, der Flagge zeigt angesichts der homophoben Stimmung in Russland. Ende Dezember machte der frühere Eiskunstlauf-Star Brian Boitano seine Homosexualität öffentlich. Der Goldmedaillengewinner der Winterspiele 1988 in Calgary gehört zur offiziellen US-Delegation in Sotschi, genauso wie zwei berühmte Lesben: die Tennislegende Billy Jean King und die ehemalige US-Eishockeyspielerin und Olympiateilnehmerin Caitlin Cahow. Alle drei wurden von US-Präsident Barack Obama aus Protest gegen das Anti-Homosexuellen-Gesetz in Russland als offizielle Olympia-Delegierte für Sotschi berufen.
Aktive Topathleten und Olympiateilnehmer, die offen schwul oder lesbisch sind, gehören noch immer zu den Ausnahmen unter Wintersportlern. Nur wenige Aktive, wie Blake Skjellerup, Short-Track-Läufer aus Neuseeland, und die norwegische Ski-Langläuferin Vibeke Skofterud gehen ganz offensiv mit ihrer Homosexualität um.
Bislang kein Thema in den Trainingslagern
Trotzdem - das Thema Hitzlsperger sorgte auch in den Trainingslagern der deutschen Olympiateilnehmer für große Aufmerksamkeit. Die Athleten seien allerdings so auf die Wettkämpfe und auf die sportliche Leistung fokussiert, dass sich zu diesem Zeitpunkt - so knapp vor den Spielen - "so gut wie keiner ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen will", sagt ein Trainer, der lieber anonym bleiben will.
Neu ist die Diskussion allerdings nicht. Denn seit Russlands Präsident Putin erklärte, dass sich die Teilnehmer der Olympischen Winterspiele an das nationale Anti-Homosexuellen-Gesetz halten müssen, erhalten Sportler, Trainer und Funktionäre der diversen Wintersportverbände Anfragen von Journalisten. "Wir haben erst daraufhin über das Thema diskutiert, aber bei uns im Olympiakader ist nicht bekannt, dass ein Sportler homosexuell sein könnte", sagt Margit Dengler-Paar. Die Pressesprecherin des Deutschen Bob- und Schlittensportverbandes fügt hinzu: "Doch selbst wenn, wäre es auch egal."
Meinungsäußerungen auch in Sotschi erlaubt
Verbandsvertreter rechnen damit, dass sich bei den am 7. Februar in Sotschi startenden Olympischen Spielen Sportler zum Thema äußern. "Dies ist auch durchaus erlaubt", bestätigt Christian Klaue, Pressesprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Lediglich politische Demonstrationen widersprechen der Charta des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Der DOSB selbst setze sich seit Jahren gegen Diskriminierung im Sport ein, sagte Klaue der DW. Sport diene der Selbstentfaltung und der Individualität. Sollte sich ein Spitzensportler zu seiner möglichen sexuellen Orientierung äußern, werde der DOSB dies selbstverständlich nicht unterbinden, so Klaue. Und fügt hinzu: "Wenn Sportler dabei Unterstützung haben wollen, werden wir helfen."
Allerdings werde man darauf achten, dass Athleten nicht von außen zu Äußerungen gedrängt würden. "Sollten Medien in Sotschi weiter an dem Thema festhalten, werden wir an das Einfühlungsvermögen der Journalisten appellieren und bitten, diesbezüglich nicht weiter zu insistieren." Klaue sagt, dass wie bisher bei Wettkämpfen auch bei den Winterspielen grundsätzlich alle willkommen seien, egal welcher sexueller Orientierung. In Russland steht seit Juni 2013 die "Verbreitung von Informationen über Homosexualität an Minderjährige" unter Strafe - ein von Menschenrechtlern als Gummiparagraf angeprangertes Gesetz. "Das Thema wird uns während der Spiele sicher begleiten", meint Christian Klaue vom DOSB, aber wenn die Wettkämpfe erst einmal in Gang sind und die Medaillen vergeben werden, dann verschiebt sich für gewöhnlich auch der Fokus der Medien."