In Missouri wächst die Wut
15. August 2014In der Kleinstadt bei St. Louis ist es nach dem Abzug der örtlichen Polizeikräfte ruhiger geworden, doch Ausnahmezustand herrscht noch immer. Nach dem Tod des 18-jährigen Michael Brown hatten wütende Demonstranten fünf Nächte in Folge in den Straßen von Ferguson randaliert. Einige warfen Molotow-Cocktails, die Polizei antwortete mit Rauchbomben und Tränengas. Zwei Journalisten wurden kurzzeitig festgenommen, als die Polizei versuchte, die Demonstration aufzulösen.
Die Proteste werfen ein Licht darauf, wie sensibel das Thema Rassenbeziehungen in den USA ist. Wenn ein weißer Polizist einen schwarzen Jugendlichen erschießt, dann wird die Hautfarbe zu einer wichtigen Frage - vor allem in Ferguson, einem Vorort, wo zwei Drittel der Bevölkerung schwarz sind, aber nur drei von 53 Polizisten. "Das ist eine Gelegenheit, um Missstände aufzudecken," sagte Polizeichef Thomas Jackson auf einer Pressekonferenz. "Wir sind auf der Suche nach neuen Wegen, die Menschen hier zu erreichen. Die Beziehungen zwischen schwarz und weiß haben oberste Priorität."
Die Wut über den Tod von Michael Brown schlägt Wellen. Doch die Polizei reagiert auf die Proteste zunächst mit Schweigen und hält den Namen des Beamten geheim, der den Teenager erschossen hat. Begründung: Es habe Morddrohungen gegen den Todesschützen gegeben.
Fragen über den Hergang des Geschehens
Was genau am vergangenen Samstag passierte, ist noch unklar. Die Polizei gibt an, es habe einen Kampf zwischen Brown und dem Polizisten gegeben. Danach seien die tödlichen Schüsse gefallen. Ein Zeuge, der Brown begleitete, bestritt in Medieninterviews jedoch, dass ein Kampf stattgefunden habe. Der unbewaffnete Jugendliche habe nur die Hände in die Luft gehoben. In einigen Tagen hätte Brown auf's College gehen sollen, der gerade die High School abgeschlossen hatte.
Die tödlichen Schüsse von Ferguson rufen schnell die Erinnerung an den Fall von Trayvon Martin wach. Der unbewaffnete Jugendliche war 2012 in Florida von einem Mann erschossen worden, der sich bedroht gefühlt hatte. Der Vorfall löste eine Kette wütender Proteste von Afro-Amerikanern aus, die die immer noch tief sitzenden Rassenvorbehalte in den USA ans Licht brachten. Der prominenteste Anwalt, der damals beim Fall Trayvon Martin in der Öffentlichkeit auftrat, wird jetzt die Familie des getöteten Michael Brown vertreten.
Kriminalisierung von Schwarzen
Der New York Times sagte Anwalt Charles Blow: "Dieser Tod erinnert auf schmerzliche Weise an die Geschichte der fortwährenden Kriminalisierung von Schwarzen in der Gesellschaft." In der Tat legen die vom Polizeidepartment in Ferguson vorgelegten Statistiken eine solche Fokussierung auf Schwarze und deren Kriminalisierung nahe, einer Stadt mit einer von Weißen dominierten Polizei und einer mehrheitlich schwarzen Bevölkerung. Im Jahr 2013 hatten die weitaus meisten von der Polizei überprüften Autos schwarze Besitzer. 700 weiße Fahrer waren von den Beamten angehalten worden, die Zahl der Autofahrer mit schwarzer Hautfarbe war mehr als sechs Mal so hoch.
"Ganz allgemein können wir feststellen, dass Menschen mit nicht weißer Hautfarbe grundsätzlich bei der Polizei unterrepräsentiert sind", sagte Delores Jones-Brown, Professorin am John Jay Justiz-College in New York im Gespräch mit der Deutschen Welle. Ihrer Einschätzung nach ist das auch ein Grund für das geringe Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei in Gemeinden wie Ferguson. "Schwarze Polizeibeamte berichten davon, dass sie tendenziell weniger misstrauisch gegenüber schwarzen Bürgern sind als ihre weißen Kollegen."
Nach einer Untersuchung des Pew Research Center aus dem Jahr 2013 fühlen sich 70 Prozent der Afroamerikaner von der Polizei weniger gerecht behandelt als Weiße. Dagegen fühlen sich nur 37 Prozent der Weißen von Polizeibeamten ungerecht behandelt. Nach einer Gallup-Umfrage aus dem selben Jahr hatten 38 Prozent der Afroamerikaner "deutliches Vertrauen" in die Polizei. Unter den Weißen sind es 60 Prozent.
Während die Stimmung angesichts der tragischen Ereignisse in Ferguson weiterhin aufgeheizt ist, ruft Präsident Obama zu Ruhe und maßvollen Reaktionen auf. Mit Blick auf die Spannungen zwischen Schwarzen und Weißen in den USA sagte er: "Wir sollten uns gegenseitig Trost zusprechen und in einer Weise miteinander umgehen, die heilt und nicht in einer Weise, die verwundet."