Gouverneur unter Blasphemieverdacht
17. November 2016Für viele Indonesier ist er ein Repräsentant eines fortschrittlichen, demokratischen und pluralen Indonesiens: Jakartas Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama, besser bekannt unter seinem Spitznamen "Ahok". Für die Islamisten im Land mit der meisten muslimischen Bevölkerung der Welt ist nun Ashok zur prominenten Zielscheibe geworden. Der 50-jährige Politiker ist christlich und enger Vertrauter des indonesischen Präsidenten Joko Widodo, genannt "Jokowi". Als Jokowi 2014 zum Präsidenten Indonesiens gewählt wurde, rückte sein Vize Ahok automatisch auf den Gouverneursposten von Jakarta auf.
Ahok unterstützt Jokowis harten Antidrogenkurs, gibt sich als Vorreiter im Kampf gegen die Korruption, gilt als energischer und durchsetzungsstarker Reformer. "Ahok ist, was das betrifft, voll auf Jokowis Wellenlänge", erklärt Alex Flor von der Berliner Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia, "und er führt dessen Politik in Jakarta mit äußerster Geradlinigkeit fort". Im Februar 2017 muss sich Ahok erstmals seiner Wiederwahl stellen. Normalerweise stünden seine Chancen sehr gut, denn in breiten Teilen der Bevölkerung ist Ahok durchaus beliebt.
Streit um eine Äußerung
Es ist nicht Ahoks Politik, an der sich seine Gegner stören. Anders als die meisten Spitzenpolitiker des Landes ist Ahok nicht nur ethnischer Chinese, sondern auch noch bekennender Christ und damit der erste nichtmuslimische Gouverneur der Hauptstadt seit über 50 Jahren. Das stößt den islamistischen Kreisen im Land sauer auf. In der jüngeren Vergangenheit erhielt Ahok wiederholt Morddrohungen. Anfang November rief die radikale "Islamische Verteidigungsfront" (FPI) sogar zu einer Massendemonstration in Jakarta auf. Über 100.000 Demonstranten folgten ihrem Aufruf und forderten nicht nur Ahoks Rücktritt als Gouverneur, sondern auch eine Anklage wegen Blasphemie.
Konkret revoltieren die Islamisten gegen eine vermeintlich den Koran beleidigende Aussage Ahoks. Ahok hatte bei einem Diskussionsforum eine Koransure zitiert, nach der Muslime keine Andersgläubigen zu ihren Schutzherren nehmen sollten. Und danach hatte Ahok hinzugefügt: "Wer lieber dummen Rassisten folgen will, die sich auf diesen Vers beziehen, der soll mich halt nicht wählen." Was folgte, war ein Aufschrei der Empörung, der so groß wurde, dass sich Ahok für seine Äußerungen entschuldigen und der Polizei stellen musste, um den seitdem im Raum stehenden Vorwurf der Blasphemie zu entkräften. Doch geholfen hat es ihm nicht. In dieser Woche bestätigten die Behörden in Jakarta, offiziell Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet zu haben. Jetzt muss sich Ahok vor Gericht verantworten. Damit droht ihm nicht nur der Verlust seines Amtes, sondern schlimmstenfalls sogar eine mehrjährige Haftstrafe.
Eine politisch gesteuerte Kampagne?
Doch ist es wirklich die FPI allein, die hinter den Protesten und der Strafverfolgung steckt? Oder wurde das Ganze von einigen politischen Gegenspielern Ahoks angezettelt, die ihn für die Gouverneurswahl 2017 aus dem Weg räumen wollen? "Es kursieren da viele Gerüchte in Jakarta, dass der frühere Präsident Susilo Bambang Yudhoyono oder auch andere die Proteste mitfinanziert haben könnten", sagt Indonesien-Experte Flor. Yudhoyonos Sohn ist einer der Gegenkandidaten Ahoks bei den Wahlen 2017. "Bewiesen ist das nicht, denkbar wäre es schon", erklärt Flor. "Die Teilnehmer an der Massendemonstration gegen Ahok Anfang November kamen überwiegend nicht aus Jakarta, sondern aus allen Teilen des Landes. Im Prinzip könnte ihnen ja völlig egal sein, wer Gouverneur von Jakarta wird, wenn sie selbst nicht in Jakarta wohnen."
Dass die Staatsanwaltschaft jetzt tatsächlich Anklage wegen Blasphemie erhebt, stößt bei großen Teilen der Bevölkerung auf Unverständnis. Die beiden großen indonesischen muslimischen Massenorganisationen Muhammadiyah und Nadhlatul Ulama hatten sich schon früh von den Protesten gegen Ahok distanziert. "Nüchtern betrachtet sind die Blasphemievorwürfe gegen ihn auch nicht haltbar", sagt Alex Flor. Deshalb kann er sich auch eine Verurteilung nicht vorstellen - wohl aber, dass sich das Verfahren noch so lange hinzieht, dass Ahok auf seine Kandidatur im Februar 2017 verzichten muss. "Denn letztendlich nutzt es ihm nichts," so Flor, "wenn er drei Wochen nach der Wahl für unschuldig erklärt wird."
Eine Gefahr für Jokowi?
Präsident Jokowi hat sich in der Affäre um seinen engen Vertrauten bislang mit offiziellen Statements auffällig zurückgehalten. "Ziel der ganzen Kampagne gegen Ahok", sagt Alex Flor, "ist letztendlich auch Präsident Jokowi. Und das weiß er auch." Der Präsident vermeide es deswegen, Partei für Ahok zu ergreifen und betone offiziell sein Vertrauen in den indonesischen Rechtsstaat und die Ermittlungsbehörden. "Auffällig war aber, dass Jokowi darüber hinaus in den letzten Tagen eine Tour durch sämtliche Militär- und Polizeihauptquartiere gemacht hat, um den Sicherheitskräften klar zu machen, dass Indonesien ein pluralistischer Staat ist", berichtet Alex Flor. "Diese Roadshow", so der Indonesien-Experte, "ist schon ein Zeichen dafür, dass er besorgt ist, dass die ganze Geschichte noch ganz andere Ausmaße annehmen könnte."