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Inflation im August nahe vier Prozent

30. August 2021

Die Inflation in Deutschland ist im August auf den höchste Monatswert seit 28 Jahren gestiegen und kratzt nun an der Vier-Prozent-Marke. Die meisten Ökonomen sehen trotzdem keinen Grund zur Aufregung.

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Symbolbild | Kennzahlen zur Inflation im Euroraum
Bild: Patrick Pleul/dpa/picture alliance

Waren und Dienstleistungen waren im August durchschnittlich 3,9 Prozent teurer als im Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag unter Berufung auf eine erste Schätzung mitteilte. Einen stärkeren Preisauftrieb gab es zuletzt in der Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung - im Dezember 1993 mit damals 4,3 Prozent.

Ökonomen hatten mit einem Wert von 3,9 Prozent gerechnet, nach einer Inflationsrate von 3,8 Prozent im Juli. "Der Inflationsdruck bleibt in Deutschland bis mindestens zum Jahresende sehr hoch", sagte Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW-Institut. Erst ab Anfang 2022 dürfte sich die Lage wieder normalisieren.

Vor einem Jahr waren die Rohölpreise mit Ausbruch der Corona-Krise wegen geringer Nachfrage auf dem Weltmarkt eingebrochen. Seither haben sie sich erholt. Dazu kommt: In Deutschland sind seit Januar 25 Euro je Tonne Kohlendioxid (CO2) fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Beides sorgt derzeit für steigende Energiepreise.

Die waren im August die größten Treiber der Inflation, weil sie sich im Jahresvergleich um 12,6 Prozent verteuerten. Auch die Preise für Lebensmittel stiegen mit plus 4,6 Prozent überdurchschnittlich stark. Bei Dienstleistungen war der Preisanstieg dagegen mit plus 2,5 Prozent geringer. Dazu zählen auch die Mieten, die um durchschnittlich 1,3 Prozent anstiegen.

Sondereffekt Mehrwertsteuer

Zudem schlägt die Rücknahme der temporären Mehrwertsteuersenkung nun voll zu. Um den Konsum in der Corona-Krise anzukurbeln, hatte der Bund die Mehrwertsteuer befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 gesenkt, was viele Waren und Dienstleistungen günstiger machte. Jetzt kehrt sich der Effekt wieder um, denn seit Januar 2021 gelten wieder die regulären Mehrwertsteuersätze von 19 bzw. 7 Prozent.

Damit zeichnet für viele Beschäftigte ein Kaufkraftverlust in diesem Jahr ab. Dem gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) zufolge dürfte die Teuerungsrate im Gesamtjahr 2021 bei durchschnittlich 2,5 bis 3,0 Prozent liegen, während die Tariflöhne wohl nur um rund zwei Prozent zulegen werden.

Lohnsteigerungen, die diesen Effekt abfedern könnten, sind angesichts der Zurückhaltung in vielen Branchen wegen der anhaltenden Corona-Pandemie nicht in Sicht. IMK-Direktor Sebastian Dullien erwartet deshalb auch keine Lohn- und Preisspirale, die zu dauerhaft höherer Inflation führen könnte. "Es besteht keinerlei Grund für Inflationsängste. Weil die Preissteigerungen vorübergehend sind, ergibt sich auch kein unmittelbarer Handlungsdruck für die EZB."

EZB sieht bisher keinen Grund zum Handeln

Die Europäische Zentralbank verfolgt das Ziel einer Inflation von zwei Prozent. Maßgeblicher für die Währungshüter ist dabei allerdings die sogenannte Kernrate, bei der die oft stark schwankenden Energiepreise herausgerechnet werden. Außerdem orientiert sich die EZB an den Inflationszahlen für den gesamten Euroraum. In der Vergangenheit hatte die Bank bereits deutlich gemacht, dass sie für das Jahr 2022 wieder geringere Inflationsraten erwartet.

Diese zurückhaltende Prognose sei "plausibel", sagt Analystin Fritzi Köhler-Geib von der KfW-Bank. "Sollten allerdings die Lieferengpässe in der Industrie länger als erwartet andauern, dürfte sich dies auch im Portemonnaie der Verbraucher bemerkbar machen, da die Unternehmen die höheren Kosten zumindest teilweise auf die Verbraucher überwälzen dürften. Die zuletzt stark angestiegenen Erzeugerpreise könnten ein erstes Indiz in diese Richtung sein."

In diesem Fall könne die Debatte innerhalb der EZB, die einstweilen noch immer vor allem um das Risiko zu niedriger Inflation kreise, "perspektivisch eine neue Richtung bekommen", glaubt Elmar Völker von der Bank LBBW.

Die US-Notenbank Federal Reserve hat bereits angekündigt, sich wegen anziehender Inflation von ihrer lockeren Geldpolitik langsam zu verabschieden. Von der EZB gibt es solche Signale bisher nicht.

bea/nm (dpa, reuters, afp)