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Interview: "Es gibt keine perfekte Wahl"

Das Gespräch führte Dennis Stute29. Januar 2006

In Haiti soll gewählt werden. Im DW-WORLD-Interview spricht Elizabeth Spehar, Wahlkoordinatorin der Organisation Amerikanischer Staaten in Haiti, über die schwierigen Wahlvorbereitungen in einem gescheiterten Staat.

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Elizabeth SpeharBild: OAS

DW-WORLD: Haiti gilt als ein Land, das von bewaffneten Banden beherrscht wird. Hat die Sicherheitslage die Vorbereitungen der für den 7. Februar geplanten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen erschwert?

Elizabeth Spehar: Ende Dezember wurden zwei unserer Computerspezialisten entführt - das war das die gefährlichste Situation, mit der wir es zu tun hatten. Zum Glück kamen sie wenige Tage später wieder frei. Man bekommt manchmal den Eindruck, dass in ganz Haiti Unsicherheit herrscht, aber meiner Erfahrung nach sind davon vor allem die Hauptstadt Port-au-Prince und bestimmte Regionen betroffen. Im größten Teil des Landes waren die vergangenen Monate aber ziemlich ruhig und normal.

Gab es weitere Probleme?

Die größte Herausforderung war das Fehlen einer funktionierenden Infrastruktur, denn wir mussten dafür sorgen, dass die Bürger im gesamten Land den bestmöglichen Zugang zur Wahlregistrierung haben. Die früheren Wahlbüros waren zum großen Teil nicht mehr verfügbar, sodass wir neue Gebäude finden mussten. Die 450 Registrierungszentren, bei deren Einrichtung wir halfen, mussten angemietet, instand gesetzt und mit Solarzellen und Generatoren ausgestattet werden, damit die Computer eine zuverlässige Stromquelle hatten.

Die Wahlen hätten im November stattfinden sollen, wurden viermal verschoben. Wie kam es dazu?

Es gab mehrere Gründe, aber insgesamt lag es daran, dass die Wahlvorbereitungen einfach noch nicht abgeschlossen waren. Dies hatte die provisorische Wahlkommission (CEP), die wir bei ihrer Arbeit unterstützen, sehr spät erkannt. Eine Ursache war die Überprüfung der von der CEP ausgewählten Wahlzentren - einige waren zu klein oder für die Wähler schwer zu erreichen. Es gab außerdem Probleme bei der Rekrutierung und Anleitung von rund 36.000 Wahlhelfern - sie konnten erst kürzlich gewonnnen werden und werden im Laufe dieser Woche angeleitet. Das zentrale Auszählungsbüro in Port-au-Prince wäre bei den früheren Terminen ebenfalls noch nicht einsatzbereit gewesen. Zudem war mehr Zeit nötig, um die Ausweise an die Wahlberechtigten auszugeben.

Der Übergangspremier Gérard Latortue hat die internationale Gemeinschaft die Schuld für die Verzögerungen gegeben. Hat er Recht?

Unabhängig von der Rolle, welche die internationale Gemeinschaft in diesem Prozess spielt - man kann die Tatsache nicht ignorieren, dass die haitianische Wahlkommission die letztendlich verantwortliche Institution ist. Zweitens ist die Organisation einer Wahl ein komplexer Prozess, in dem alle Elemente abgestimmt werden und alle Beteiligten ihre Arbeit tun müssen. So mussten wir die Verteilung der Ausweise unterbrechen, weil die CEP die Wahlzentren noch nicht festgelegt hatte. Allein wegen diesem einen Prozess verloren wir mehrere Wochen. Es ist sehr bequem die internationale Gemeinschaft zu beschuldigen, aber die Realität ist wesentlich komplexer.

Es gab den Vorwurf, es seien zu wenig Registrierungsbüros in Hochburgen der Lavalas-Partei des entmachteten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide eingerichtet worden.

Ich glaube in keiner Weise, dass die Menschen in diesen Gebieten benachteiligt wurden. Wir konnten wegen der Sicherheitslage in einigen Vierteln, insbesondere in Port-au-Prince, zunächst keine Registrierungsbüros einrichten. Eine Konsequenz unserer Arbeit in diesen Gegenden waren die beiden Entführungen. In der Cité Soleil, …

… einem Viertel von Port-au-Prince, das als besonders gefährlich gilt und wo vergangene Woche zwei jordanische UN-Soldaten getötet wurden…

… in der Cité Soleil haben wir ein Registrierungsbüro eingerichtet, außerdem mehrere am Rand des Viertels. Und das ist nur ein Beispiel.

Lesen Sie im zweiten Teil, ob saubere Wahlen überhaupt möglich sein werden.

Elizabeth Spehar OAS-Wahlkoordinatorin in Haiti
Elizabeth Spehar im Gespräch mit einem WahlhelferBild: OAS

DW-WORLD: Zwei prominente Vertreter der Lavalas-Partei können nicht kandidieren weil sie, so sieht es Amnesty International, auf der Basis von frei erfundenen Vorwürfen inhaftiert sind. Wird eine neue Regierung angesichts solcher Behinderungen eine Legitimition haben?

Elizabeth Spehar: Das ist eine sehr komplexe Frage und ich fühle mich nicht qualifiziert, sie zu beantworten.

Der UN-Stabilisierungsmission MINUSTAH, die seit 20 Monaten für Ordnung sorgen soll, fehle es an "Personal, Professionalismus und logistischer Unterstützung", schrieb die "Washington Post" vor einigen Tagen. Müssten mehr Soldaten eingesetzt werden?

Es ist Sache der haitianischen Entscheidungsträger, darüber zu befinden, ob sie mehr Sicherheitskräfte anfordern. Ich weiß, dass der Premierminister einige Länder um zusätzliche Unterstützung gebeten hat. Die haitianischen Sicherheitskräfte haben zusammen mit der MINUSTAH sehr genaue Pläne erarbeitet, um sicherzustellen, dass die Wahlen in einem ruhigen und sicheren Umfeld stattfinden können. Angesichts der Unsicherheit, in der die Bewohner von Port-au-Prince in den vergangenen Monaten leben mussten, gibt es natürlich Befürchtungen. Aber es werden Maßnahmen ergriffen, um das bestmögliche Umfeld herzustellen.

Werden die Wahlen nach vier Verzögerungen nun tatsächlich am 7. Februar stattfinden?

Ich glaube ja. Es galt in den vergangenen Wochen, vier Hauptprobleme zu lösen und das ist gelungen. Das zentrale Auszählungsbüro funktioniert und wird am 29. Januar einen Testlauf haben. Die Anleitung der Wahlhelfer wird Ende dieser Woche abgeschlossen sein. Mehr als 80 Prozent der registrierten Wähler haben ihre Ausweise abgeholt. Und die von der CEP beschlossenen Veränderungen bei den Wahlzentren werden in den kommenden Tagen umgesetzt.

Kann man überhaupt saubere Wahlen erwarten oder muss man sich damit abfinden, wenn etwa in Port-au-Prince viele Wähler ihre Stimme nicht abgeben können?

Kein Wahlprozess, sei es in Haiti oder anderswo, ist perfekt - es wäre also naiv, anzunehmen, dass die haitianischen Wahlen tadellos sein werden. Ich glaube nicht, dass viele Menschen keine Gelegenheit zum Wählen haben werden. Es haben sich mehr als 3,5 Millionen Haitianer registrieren lassen. Das sind 80 Prozent der geschätzten Zahl von Wahlberechtigten. Das wäre in jedem Land ein sehr gutes Ergebnis. Ich glaube die Wahlbeteiligung wird mehr damit zu tun haben, ob die Leute motiviert werden können - und das hängt von den Botschaften der Parteien und Kandidaten ab.

Elizabeth Spehar ist Wahlkoordinatorin der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Haiti.