Irakische Mangelware: Sicherheit
27. August 2003Noch bevor der Irak sein eigenes Parlament und seine eigene Regierung bekommt, soll das Land auf einem Bereich "irakisiert" werden, der ganz besonders im Argen liegt: Die Sicherheit, mit der die amerikanischen und britischen Besatzer auch vier Monate nach dem Ende der offenen Kampftätigkeit unverändert Probleme haben. Sie können sich selbst nur unzureichend schützen, sie sind aber auch nicht in der Lage, der irakischen Bevölkerung die Sicherheit zu gewähren, die ein Volk erwarten könnte, das ja eigentlich hätte befreit werden sollen. Die aber auch jeder Besetzte von seinem Besatzer erwarten darf.
Ausbildung im Schnelldurchlauf
Um diese Aufgaben zu bewältigen, wären Sicherheitskräfte erforderlich, die die Besatzer gegenwärtig nicht haben. Und die es auch auf irakischer Seite nicht gibt. Von Nöten wäre zum Beispiel eine effektive Polizeitruppe, die aber befindet sich noch im Aufbau und zählt gerade eben 37.000 Mann, während Experten der Meinung sind, dass ein Land wie der Irak mindestens 65.000 Polizisten braucht. Erforderlich wären auch gut informierte Sicherheitsorgane – die sind aber sämtlich als Teil des alten Regimes abgeschafft worden.
Die fehlenden Polizisten sollen nun schnell ausgebildet werden: In einem alten sowjetischen Militärlager in Ungarn, wo vor dem Irakkrieg Hilfstrupps von Dolmetschern und andere Hilfskräften trainiert wurden. 28.000 Mann sollen nun im Rahmen dieses "Irakisierungsplans" im Schnelldurchgang zu Polizisten gemacht werden, um dann Aufgaben im Irak zu übernehmen, die die GI-s dort nicht übernehmen oder für die ihnen jede Befähigung fehlt.
Soldat: Ein Job für's Alltägliche?
Washington hat offenbar auch vor, ehemalige irakische Geheimdienstleute als eigene Agenten einzusetzen, um mehr über das Land zu erfahren, vor allem aber über die Gruppen, die täglich Überfälle und Anschläge auf die Besatzungstruppen verüben. Auch diese Geheimdienstarbeit kann von den amerikanischen Soldaten nicht geleistet werden.
Diese Soldaten sind in den Irak geschickt worden, um den Krieg zu führen und den Krieg zu gewinnen. Nicht aber, um Verbrechen zu bekämpfen oder – ganz lapidar gesagt – den Verkehr zu regeln. Das wäre – und ist – Aufgabe der Iraker selbst. Und nicht nur das: Die Iraker sollten rascher beteiligt werden am Wiederaufbau ihres Landes. Sie kennen und verstehen es besser als Außenstehende. Und es sollte ja wohl auch Teil des von Präsident Bush so oft beschworenen Demokratisierungsprozesses sein, dass die Iraker selbst mehr Mitspracherecht bekommen.
Erst zerschlagen, dann wieder aufbauen
Hier rächt sich die amerikanische Politik, zuerst einmal möglichst alles zu zerschlagen, was für das alte Regime stand. Nicht das alte Regime selbst, sondern die Infrastruktur des alten Staates. Ohne die das Land noch mehr zurückgeworfen wird als durch den Krieg. An Mahnern hatte es nicht gemangelt – wie etwa der neue Übergangs-Beauftragte der UN in Bagdad, da Silva: Er hatte Washington sofort bei Ende der offenen Kämpfe aufgerufen, die Infrastruktur zu bewahren und die Staatsdiener weiter zu beschäftigen. Selbst das Gros der rund 400 000 Militärs, die von einem Tag zum nächsten entlassen wurden.
Die Amerikaner hörten nicht auf solche Stimmen. Sie waren vielleicht zu euphorisch, dass dem überraschend problemlosen militärischen Sieg nun ein rascher Triumph der Demokratisierung folgen würde, vor allem aber: Dass die Iraker ihnen dankbar sein würden. Je weniger diese aber so etwas empfinden und je mehr sie die Befreier wissen lassen, dass sie doch nur Besatzer sind, desto verfahrener wird die Situation. Bisher machte man Fehler, jetzt kommen aber Angst und Misstrauen hinzu. Nicht gerade geeignete Voraussetzungen für eine Befriedung des Irak und die Verbesserung der Sicherheitslage dort.
Bürgerarbeit statt Polizisten!
28.000 neue Polizisten werden sicher dringend gebraucht im Irak. Selbst wenn man sich fragen darf, was deren Blitzausbildung von einigen Wochen wohl wert sein wird. Mehr noch darf man sich fragen, was der Einsatz ehemaliger Agenten des Saddam-Regimes soll und welches Signal er gegenüber den Irakern darstellt, die unter Saddam gelitten haben. Dringender braucht das Land für einen Neuanfang die klare und engagierte Mitarbeit seiner Bürger. Hier sollte Washington ansetzen, wenn der Traum von einem demokratischen Zweistromland Wirklichkeit werden soll.