Irakisches Parlament lenkt ein
13. Oktober 2005Nach einer Mahnung der UNO hat das irakische Parlament eingelenkt: Wie am Mittwoch (5.10.2005) bekannt wurde, kassierten die Abgeordneten eine Änderung des Wahlgesetzes, die sie am Sonntag beschlossen hatten. Die Zusätze verstießen gegen internationale Normen, hatte ein UN-Sprecher am Dienstag gewarnt. Sie würden es den Sunniten nahezu unmöglich machen, die Verfassung am 15. Oktober eventuell zu Fall zu bringen. Auch Washington hatte protestiert.
Zweierlei Maß
In den Abstimmungsregeln für das Referendum ist nun wieder festgelegt, dass die Verfassung nicht in Kraft tritt, wenn in drei der 18 Provinzen jeweils zwei Drittel der Wähler dagegen stimmen sollten. Die sunnitischen Araber stellen in vier Provinzen die Bevölkerungsmehrheit. Die mehrheitlich schiitischen Abgeordneten hatten mit ihrer Entscheidung am Sonntag versucht, die Hürden für eine Ablehnung des Dokuments zu erhöhen: Demnach wäre die Zwei-Drittel-Mehrheit auf alle registrierten Wähler zu beziehen gewesen, nicht nur auf diejenigen, die sich tatsächlich an dem Referendum am 15. Oktober beteiligen.
Das Quorum für eine Verhinderung der Verfassung wäre damit deutlich schwerer zu erreichen gewesen - zumal Beobachter damit rechnen, dass viele Iraker wegen der anhaltenden Gewalt nicht zur Wahl gehen werden. Die fragwürdige Regelung sollte dagegen nie für die einfache, landesweite Mehrheit gelten, die für ein Inkrafttreten der Verfassung nötig ist - dabei wären auch nach dem Beschluss vom Sonntag nur die Wähler gezählt worden, die tatsächlich abstimmen.
Verfassungsentwurf umstritten
Kopien des Verfassungstextes wurden in Bagdad, Kerbela und Basra verteilt, wie ein UN-Sprecher mitteilte. Insgesamt sollen über fünf Millionen Exemplare gedruckt werden, davon vier Millionen in arabischer Sprache, eine Million auf kurdisch und 250.000 auf turkmenisch.
Der Verfassungsentwurf ist unter den Sunniten bereits umstritten. Mehrere Gruppierungen hatten ihre Anhänger in letzter Zeit aufgerufen, den Text bei der Volksabstimmung abzulehnen. Sie sehen in der Annahme der Verfassung den ersten Schritt zu einer Teilung des Irak, durch die ihrer Ansicht nach die sunnitischen Bevölkerungsteile benachteiligt würden.
"Modell für Teilung des Staates"
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt offenbar auch die UNO: Das US-Nachrichtenmagazin "Newsweek" zitierte am Montag eine UN-interne Analyse, die den Verfassungstext als "Modell für eine territoriale Teilung des Staates" bewertet. UN-Sprecher Stephane Dujarric bemühte sich, diese Aussage herunterzuspielen. Das von "Newsweek" zitierte Dokument sei von Experten für den internen Gebrauch geschrieben worden, die Verfassung müsse von der irakischen Bevölkerung beurteilt werden, sagte er.
Unterdessen rief die El-Kaida-Organisation im Irak die sunnitische Bevölkerungsgruppe zu einem Boykott des Verfassungsreferendums am 15. Oktober auf. "Nehmt an der Abstimmung nicht teil, ihr legitimiert damit nur die Ungläubigen", hieß es in einer am Dienstag auf einer islamistischen Website veröffentlichten Erklärung, deren Echtheit zunächst nicht bestätigt werden konnte. Die Gruppe um den jordanischen Extremisten Abu Mussab el Sarkawi hatte erst kürzlich den Schiiten, die im irakischen Parlament die Mehrheit haben, den "totalen Krieg" erklärt. (stu)