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Iran arbeitet an einer "schiitischen Achse" in Nahost

Peter Philipp13. September 2006

Unter dem früheren irakischen Präsidenten Saddam Hussein führte der Irak einen achtjährigen Krieg gegen den Iran. Nun geht Teheran politisch auf Tuchfühlung mit Bagdad. Von einer schiitischen Achse ist die Rede.

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Betende Schiiten im Irak - Teheran bietet ihnen Hilfe beim Wiederaufbau des Landes anBild: AP
Ahmadinedschad: Keine Kursänderung bei Atomgesprächen p178
Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad (Alles Archiv-Fotos)Bild: dpa

Der ehemalige iranische Staatspräsident Mohamad Khatami meinte vor einigen Tagen in einem Interview während seines ungewöhnlichen USA-Besuches, die Vereinigten Staaten sollten im Irak bleiben, bis die dortige Regierung die Dinge unter Kontrolle gebracht habe. Im Übrigen hätten der Iran und die USA ähnliche Interessen im Irak wie auch in Afghanistan. Am Dienstag (12.9.) machte nun Khatami-Nachfolger Mahmud Ahmadinedschad klar, welches diese Interessen Teherans sind: "Die Sicherheit im Irak zu verbessern bedeutet die Sicherheit und die Stabilität in der ganzen Region zu stärken", meinte der iranische Präsident beim ersten Besuch des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al Maliki in Teheran. Ahmedinedschad bot dem Irak umfassende Hilfe bei der Wiederherstellung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit an.

Maliki, der als Mitglied der schiitischen "Dawa"-Partei einen Teil seiner Zeit im Exil in Teheran verbringen musste, war ganz offensichtlich beeindruckt von den iranischen Zusagen. So ließ er seinen Plan fallen, Teheran vor einer Einmischung in die internen Angelegenheiten des Irak zu warnen. Genau dies war dem Iran in Bagdad in letzter Zeit wiederholt vorgeworfen worden. Nicht nur der US-Botschafter in Bagdad, Zalmay Khalilzad, sondern auch irakische Politiker hatten dem Iran vorgeworfen, Gruppen wie die des radikalen schiitischen Predigers Muktada al-Sadr zu unterstützen und unter anderem mit Waffen zu versorgen.

USA und Israel besorgt

Teheran hat sich bisher nie offiziell zu solchen Vorwürfen geäußert. Aber es war immer schon klar, dass der Iran kein Interesse an wachsender Unruhe im Nachbarland haben kann und dass er deswegen bestimmt nicht Gruppen unterstützen würde, die hintertreiben wollen, was durch den bisherigen Demokratisierungsprozess im Irak erreicht wurde: Die freien Wahlen haben der schiitischen Bevölkerungs-Mehrheit eine Mehrheit im Parlament und den entsprechenden Einfluss in der Regierung gebracht und aus der Sicht des Iran kann solches nur von Vorteil sein: Ein schiitisch dominierter Irak stellt keine Gefahr dar, er stärkt die Position Teherans in der Region und er bringt Teherans Traum von einer "schiitischen Achse" wieder zum Leben, die von Teheran über Bagdad bis in den Libanon reicht.

Schiiten im Irak
Betende Schiiten in BagdadBild: AP

Genau solch eine Perspektive wird von den USA und Israel als störend und bedrohlich empfunden. Aber Washington kann dem nichts entgegen setzen: Das Wahlergebnis im Irak entspricht dem immer geforderten demokratischen Prozess und kann deswegen nicht verfälscht werden. Und eine "positive" Unterstützung der Bagdader Regierung durch Teheran ist sicher besser als die bisher behauptete – aber unbewiesene – "negative" Einmischung.

Drei sind sich einig


Bagdad, Teheran und Washington haben tatsächlich ein gemeinsames strategisches Interesse: Die US-Truppen sollten den Irak verlassen - aber ohne dort ein noch größeres Chaos zu hinterlassen oder auszulösen. Deswegen sind sich alle drei einig in der Einschätzung, dass der Abzug nicht schnell und sofort durchgeführt werden kann, sondern behutsam vorbereitet werden muss.

Es wäre nur besser, wenn diese drei am meisten interessierten Parteien direkt miteinander über diese Fragen diskutieren könnten. Immerhin hat der Besuch Malikis in Teheran einige Missverständnisse aus dem Weg geräumt und die Grundlage für eine breite Zusammenarbeit mit Teheran geschaffen. Was nun fehlt, wäre die Einsicht in Washington und Teheran, dass auch der Konflikt zwischen den USA und dem Iran beigelegt werden sollte. Noch scheint man angesichts des Atomstreits weit davon entfernt, aber auch in dieser Frage wird die Annäherung zwischen Teheran und Bagdad ihre Auswirkungen haben: Wer es bisher nicht wusste, dem dürfte jetzt mehr als deutlich gemacht worden sein, dass der Iran im Irak nicht nur die erwünschte positive Rolle spielen, sondern im Fall einer Eskalation mit den USA diesen das Verbleiben im Irak zur wahren Hölle machen kann.