Iran: Hoffen auf den Atom-Deal
6. Juli 2015"Die Atomverhandlungen sind hier gerade das Topthema", sagt Shahryar und blickt nachdenklich über das Lichtermeer seiner Heimatstadt. Mit Hilfe des im Iran eigentlich verbotenen Kurznachrichtendienstes Twitter verfolgt er selbst beim Abendessen mit seiner Freundin Pardis ganz genau, was im fernen Wien gerade passiert – und ist auch bereit, darüber zu sprechen. Denn Politik ist zwar ein Thema, über das Iraner sich mit Fremden nur selten unterhalten. Doch hier in "Bam-e Tehran", einem Park weit über den Dächern der Stadt und im Schutz der Anonymität, nimmt der 29-jährige kein Blatt vor den Mund. "Die Sanktionen haben uns hart getroffen", sagt er. Hohe Arbeitslosigkeit und steigende Preise machten vor allem den einfachen Menschen das Leben schwer. "Ich habe sogar gehört, dass wir wegen der Beschränkungen im Finanzsektor manche Medikamente nicht mehr importieren können", ergänzt Pardis. "Viele Kranke bekommen deshalb nicht die Behandlung, die sie brauchen. "Mit einem Abkommen in Wien, so hoffen beide, würde das alles endlich ein Ende haben.
"Wir wollen auch endlich direkten Handel treiben mit Europa und den USA", mischt sich Reza ein, der am Nachbartisch sitzt. Er stammt aus dem Nordwesten des Landes und ist Unternehmer. Wegen der internationalen Sanktionen ist er bei all seinen Geschäften gezwungen, einen Umweg über China oder Russland zu nehmen. Und die, so sagt er, lassen sich das gut bezahlen und liefern oft nicht die gewünschte Qualität. Im Herbst gebe es für seinen Fachbereich eine große Messe in Deutschland, zu der er gerne fahren und endlich direkte Geschäfte machen würde. "Wir wollen einfach wieder gute Beziehungen mit der ganzen Welt haben."
Nicht um jeden Preis
Wie die überwältigende Mehrheit aller Iraner wünscht sich Reza darum eine Einigung in Wien – wenn auch nicht um jeden Preis: "Wir sind bereit, unser Atomprogramm drastisch zu reduzieren und strengen Kontrollen zu unterwerfen", sagt er. Es müsse aber sichergestellt sein, dass dann im Gegenzug auch wirklich alle Sanktionen aufgehoben werden – und nicht nur suspendiert. "Barack Obama ist schließlich nicht mehr lange im Amt", gibt er zu Bedenken, "und viele seiner möglichen Nachfolger haben ja schon gedroht, ein Abkommen mit uns nicht anzuerkennen". Trotzdem glaubt Reza, dass es zu einer Einigung kommt. "Die Verhandlungen gehen jetzt schon so lange", sagt er, "da kann es sich doch eigentlich keine Seite mehr leisten, ohne Ergebnis nach Hause zu kommen".
Das hofft auch Hamid. "Dann kommen vielleicht auch endlich mehr Touristen in unser Land", sagt er und blickt hoffnungsvoll über das Lichtermeer seiner Heimatstadt. Der 32-jährige hat eine kleine Reiseagentur und zeigt Besuchern nicht nur den großen Bazar und die Paläste des Shahs hier in der Hauptstadt, sondern auch Weltkulturerbestätten wie Persepolis oder Isfahan. Doch in den vergangenen Jahren seien es lange nicht so viele Touristen gewesen, wie es hätten sein können. "Es gibt hier so viel zu sehen und zu erleben", sagt er, "und wir Iraner sind so gastfreundliche Menschen. Aber wegen der schlechten politischen Beziehungen kommen viele Menschen gar nicht auf die Idee, bei uns Urlaub zu machen".
Hoffen auf Reformen auch im Inneren
Niloufar, die am Nachbartisch sitzt, erhofft sich noch weit mehr als das von einer Einigung in Wien. "Auf dem Weg hier nach Bam-e Tehran bin ich von der Religionspolizei verfolgt worden", erzählt die 21-jährige, die eine hellblaue Leggings mit einem für das Verständnis der islamischen Sittenwächter zu kurzen Mantel trägt. Gerade noch sei sie ihnen entkommen – jetzt muss sie sich hier verstecken, bis ihre Eltern ihr Kleidung gebracht haben, die den strengen Kleidervorschriften der Islamischen Republik genügen. "Vor allem wir Frauen können hier im Iran einfach nicht frei leben", sagt sie. "Aber wenn die außenpolitischen und wirtschaftlichen Probleme unseres Landes erstmal gelöst sind", hofft Niloufar, "dann ändert sich endlich vielleicht auch daran etwas."
Nazanin will solange nicht warten. Die 31-jährige würde gerne in den USA promovieren – wegen der vielen Freiheiten, aber auch weil ein Abschluss an einer der Eliteuniversitäten dort ihre Karrierechancen deutlich verbessern würde. Doch ein Visum für die USA zu bekommen, ist wegen der bislang schlechten politischen Beziehungen nicht so einfach. Von ihren Eltern weiß Nazanin, dass sie vor der Islamischen Revolution noch mit Direktflügen und ohne Visum einreisen konnten. "Heute ist mein iranischer Pass kaum noch etwas wert", klagt sie. Wer nicht einen guten Job und ein gefülltes Bankkonto vorweisen könne, werde von den meisten westlichen Botschaften direkt abgewiesen. Mit einer Einigung bei den Atomverhandlungen in Wien, hofft sie, würde das wieder anders werden – und zeigt sich optimistisch: "Ich bin fest davon überzeugt, dass es zu einem Abkommen kommt", sagt sie. "Es wird einfach Zeit, dass die Beziehung zwischen unserem Land und der Welt wieder besser wird."