Premiere in Irland
2. Juni 2017Der neue Fine Gael-Chef wurde parteiintern über ein Wahlkollegium bestimmt. Voraussichtlich soll der 38-Jährige am 13. Juni offiziell als Premier bestätigt werden. Das Endergebnis der parteiinternen Abstimmung lag bei 60 Prozent für den bisherigen Sozialminister Varadkar.
Damit schreibt der gleich im doppelten Sinn Geschichte: Der in Dublin geborene Sohn eines indischen Vaters und einer irischen Mutter wird nicht nur der bislang jüngste, sondern auch der erste offen schwule Premierminister Irlands. Als Sozialminister machte er sich in dem katholisch geprägten Land für die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen und für die Lockerung des restriktiven Abtreibungsrechts stark.
Wenige Monate vor dem irischen Referendum über die Homo-Ehe hatte er sich im Januar 2015 öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt. "Ich bin schwul. Es ist kein Geheimnis, aber vermutlich weiß es nicht jeder", hatte Varadkar erklärt. Noch bis 1993 waren in Irland gleichgeschlechtliche Beziehungen strafbar.
Neue Politikergeneration übernimmt in Dubin das Ruder
Varadkar sagte nach seiner Wahl an die Parteispitze, die Verantwortung für das Land gehe nun "an eine neue Generation irischer Männer und Frauen über". Er sei "bereit für die Herausforderungen". Wie die Mehrheit seiner Parteifreunde tritt Varadkar für einen scharfen Sparkurs ein. Die Opposition wirft Fine Gael deshalb vor, das Land zu spalten. Die politische Lage in Irland gilt als instabil: Der zurückgetretene Premierminister Enda Kenny stand seit seiner Wiederwahl 2016 an der Spitze einer Minderheitsregierung, die von der ebenfalls konservativen Partei Fianna Fáil unterstützt wird.
Zu den Herausforderungen, die auf Varadkar warten, zählen auch die Beziehungen zu Nordirland, das zum Vereinten Königreich gehört. Nach dem EU-Austritt Großbritanniens wäre die Grenze zwischen Irland und Nordirland wieder eine EU-Außengrenze und müsste demnach stärker überwacht werden. Nach dem jahrzehntelangen Nordirland-Konflikt warnt die Regierung in Dublin deshalb vor einem Rückfall in "sektiererische Gewalt".
Vorgänger stürzte über Schmutzkampagne
Varadkars Vorgänger Kenny hatte Mitte Mai seinen Rückzug aus der konservativen Partei angekündigt. Der 66-Jährige stand seit Monaten wegen seiner Rolle in einer Schmutzkampagne gegen einen Polizei-Whistleblower unter Druck, der Fehlverhalten von Kollegen angeprangert hatte und daraufhin gemobbt wurde.
Kenny behauptete im Parlament, erst spät von den Vorwürfen erfahren zu haben - und musste dies später richtigstellen. Kenny war seit 2002 Parteichef und seit 2011 Premier.
qu/cw (dpa, afp, rtr, APE, kna)