Streit um Weltsicherheitsrat?
21. März 2018Er ist das Herzstück der Vereinten Nationen: Im Weltsicherheitsrat der Organisation mit Sitz im New Yorker Stadtteil Manhattan am East River werden die wichtigsten Entscheidungen gefällt und Weichenstellungen vereinbart. Wer zu diesem exklusiven Kreis gehört, sitzt am Puls der Weltpolitik. Neben den fünf ständigen Mitgliedern Frankreich, Russland, USA, China und dem Vereinigten Königreich sind das auch die zehn nichtständigen Mitglieder des Gremiums. Kein Wunder also, dass es zwischen den Interessenten oft intensive Wahlkämpfe gibt.
Jedes Jahr werden fünf nichtständige Mitglieder für die Dauer von zwei Jahren durch die Generalversammlung neu gewählt. Am 8. Juni ist es wieder soweit. Doch diesmal sieht es so aus, als ob im Vorfeld der Wahl weniger diplomatisches Fingerspitzengefühl herrscht als vielmehr ein offener Streit entbrannt ist. Ausgerechnet zwischen Deutschland und Israel, wie die New York Post schreibt, die wiederum von der Bild-Zeitung zitiert wird. Demnach würde die Bewerbung Deutschlands um einen der vielbegehrten Plätze die Chancen Israels entscheidend schmälern.
Denn die Wahl der Plätze unterliegt einem festgelegten Bewerbungsschlüssel. Sie werden nach regionalen Gruppen ausgesucht. So achten die UN streng darauf, dass von den zehn nichtständigen Mitgliedern drei aus Afrika, zwei aus Asien, zwei aus Lateinamerika, eins aus Osteuropa und zwei aus Westeuropa oder der übrigen westlichen Welt (Kanada, Australien oder Neuseeland) kommen. Diese nichtständigen Mitglieder treten ihr Amt jeweils zum 1. Januar eines Jahres an.
Vorwurf des "schamlosen Machtspiels"
Nun kommt es offenbar zu einer Stichwahl. Denn für zwei freie Plätze in der westlichen Welt bewerben sich Israel, Belgien und eben Deutschland - ein Konflikt, der auch deswegen pikant ist, weil Israel den Platz in der westlichen Staatengruppe, in dem es erst seit 2013 Mitglied ist, ohne deutsche Unterstützung wohl gar nicht erhalten hätte. Das Land wurde wegen des arabischen Widerstandes nie in die asiatische Staatengruppe, der es eigentlich zugehören sollte, aufgenommen. Auch in der UN-Generalversammlung steht Israel oft unter Kritik.
Unter dem Titel "Deutschlands schamloses Machtspiel gegen Israel" unterstellt der Autor der New York Post der Bundesrepublik, sich nicht an Vereinbarungen zu halten. Hintergrund des Vorwurfes soll ein 20 Jahre altes Versprechen sein, auf das sich Israel und die USA berufen. Demnach habe der frühere UN-Botschafter Richard Holbrooke Ende der 90er Jahre Israel versprochen, für 2019/2020 werde sich nur Belgien bewerben. Kanzlerin Merkel soll davon gewusst haben. Die Bundesregierung wiederum bestreitet nach Informationen der Bild-Zeitung, jemals dazu ihre Zusage gegeben zu haben.
Eine absurde Unterstellung in der Wahlphase?
Die Schlagzeile "Deutschland spiele seine Macht" aus, "ist ein etwas sehr durchsichtiger Versuch, Israel in der letzten Wahlphase zu helfen", urteilt Hanns Heinrich Schumacher im Gespräch mit der Deutschen Welle. Der frühere deutsche Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York (2001 und 2002), der auch die Ständige UN-Vertretung in Genf leitete (2011 bis 2014), geht davon aus, dass die Bundesregierung von einer solchen Zusage tatsächlich nichts weiß.
Schumacher bezweifelt auch, dass UN-Botschafter Holbrooke vor 20 Jahren Israel eine förmliche Zusage für 2019/2020 gemacht haben soll. Das sei "absurd". Wie könne ein US-Botschafter, bei allem Einfluss, eine Zusage für die Wahl in den Sicherheitsrat machen? "Dies ist eine Wahl, über die nur die Mehrheit der Mitgliedsstaaten in der Generalversammlung entscheiden kann".
Bei der Sitzverteilung hört die Freundschaft auf
Die New York Post geht indes davon aus, dass das Kandidatenrennen die deutsch-israelischen Beziehungen belastet. In der Zeitung heißt es, dass die Zeit, in der Deutschland Israels bester Freund in Europa sein wollte, vorbei sei. Die Regierung in Berlin würde die historische Chance Israels auf internationale Profilierung vereiteln. In die gleiche Kerbe schlägt nach Informationen der Bild-Zeitung die pro-israelische "Zionist Organisation of America". Sie kritisiert, "Deutschland ist dabei, den von den USA vermittelten Deal zu verletzen."
Während Deutschland bereits mehrfach im Weltsicherheitsrat saß - zuletzt 2011/12 – war Israel noch niemals Teil dieses Gremiums, obwohl es seit 1949 Mitglied der Vereinten Nationen ist. Der frühere deutsche UN-Botschafter Schumacher mahnt zur Mäßigung. Es spricht von einem transparenten Prozess, bei dem es sich in diesem Fall "um eine normale streitige Kandidatur" handele. "Deutschland, Belgien und Israel werben um die Stimmen, wie jeder andere Mitgliedsstaat auch." Es wird also auf eine Kampfkandidatur der Länder hinauslaufen.
Deutschland als UN-Unterstützer
Zugleich weist Schumacher auf das berechtigte Interesse Deutschlands hin, als "einer der größten Beitragszahler" der UN zumindest in einem regelmäßigen Zeitraum als nicht ständiges Mitglied vertreten zu sein. Die Bundesrepublik habe nie ein Hehl daraus gemacht, sich alle sieben bis acht Jahre zur Kandidatur aufzustellen. Angesichts des großen Engagements Deutschlands sei dies ein berechtigter Anspruch. "Ich verweise auf die Unterstützung des UNHCR, wo wir einer der größten Geber sind, auf die humanitäre Hilfe und auf die Steigerung als Truppensteller - Stichwort Mali."