Israel weitet Offensive aus
9. August 2006Das israelische Sicherheitskabinett hat die Ausweitung der Boden-Offensive im Libanon beschlossen. Das teilte das Amt von Ministerpräsident Ehud Olmert am Mittwoch (9.8.) nach Beratungen der Sicherheitskabinetts mit. Die Entscheidung, die Truppen möglicherweise bis zum Litani-Fluss vorrücken zu lassen, stellt eine weitere Eskalation des vor vier Wochen begonnenen Krieges dar.
Verteidigungsminister Amir Perez hatte schon zuvor angeordnet, dass sich die Armee darauf vorbereiten soll, möglicherweise auch über den Litani-Fluss hinweg vorzurücken, der 30 Kilometer landeinwärts liegt.
Kommandeur entmachtet
Statt bisher 10.000 sollen nun 30.000 israelische Soldaten eingesetzt werden. Bei der Ausweitung der Bodenoffensive rechnet Israel mit 100 bis 200 Toten in den eigenen Reihen. Diese Zahl nannte ein israelischer Militärexperte während der Sondersitzung des Sicherheitskabinetts, wie aus Teilnehmerkreisen verlautete. Zwar war schon vor der Sitzung klar, dass ein verstärktes militärisches Vorgehen gegen die Hisbollah-Miliz die Zustimmung einer Mehrheit der zwölf Mitglieder des Sicherheitskabinetts hatte, doch Ministerpräsident Ehud Olmert schien in dieser Frage zuletzt jedoch unschlüssig zu sein.
Differenzen über die richtige Strategie im Kampf gegen die libanesische Hisbollah-Miliz führten unterdessen zur Entmachtung des für die Front zuständigen Kommandeurs für Nordisrael, Udi Adam. Wie der Militärrundfunk am Mittwoch unter Berufung auf einen ranghohen Offizier berichtete, wurde Vize-Generalstabchef Mosche Kaplinski am Dienstag offiziell damit betraut, die Einsätze aller Teilstreitkräfte im Libanon zu überwachen, was de facto die Entmachtung Adams bedeute. Adam solle nach der Offensive von seinen Aufgaben entbunden werden, zitierte der Sender den Offizier weiter.
Der israelische Kabinettsminister Isaac Herzog hat die Entscheidung zur Ausweitung der Bodenoffensive verteidigt. "Wir können nicht ewig warten", sagte Herzog am Mittwoch. Eine Million Israelis lebe in Luftschutzbunkern "und wir müssen sie beschützen". Die neue militärische Offensive könne parallel zu Verhandlungen verlaufen, erklärte Herzog. Die Regierung in Jerusalem arbeite weiter für eine diplomatische Lösung, am besten im Sicherheitsrat.
Hisbollah droht
Hisbollah-Chef Sajjed Hassan Nasrallah hat daraufhin am Mittwoch damit gedroht, den Südlibanon in einen Friedhof für einrückende israelische Soldaten zu verwandeln. Die seit vier Wochen andauernden Angriffe der israelischen Armee hätten die Fähigkeit der radikal-islamischen Hisbollah, Raketen abzufeuern, nicht geschwächt. In einer Fernsehansprache droht Nasrallah zudem mit neuen Angriffen, etwa auf die israelische Hafenstadt Haifa. Die arabischen Einwohner sollten die Stadt verlassen, um nicht Opfer von Hisbollah-Raketen zu werden, erklärte er.
Nasrallah sprach sich am Mittwoch ebenfalls für eine Entsendung libanesischer Truppen in den Süden des Landes aus. Seine Organisation unterstütze den Vorschlag, erklärte der Chef der radikal-islamischen Miliz in einer Fernsehansprache. Zugleich beschuldigte er die USA, sie wollten mittels einer UN-Resolution Israels Ansprüche auf den Libanon durchsetzen. Es sei das Mindeste, dass der von der libanesischen Regierung vorgelegte Sieben-Punkte-Plan in einen Resolutionsentwurf einfließe.
Seit Beginn der Kämpfe am 12. Juli hat Israel 67 Soldaten verloren, bei Raketenangriffen der Hisbollah kamen zudem 36 Menschen ums Leben. Trotz der schweren Luftangriffe, des Artilleriebeschusses an der Grenze und des Vorstoßes israelischer Truppen im Südlibanon konnte die Hisbollah bislang nicht daran gehindert werden, Raketen auf israelisches Territorium abzufeuern. Im Libanon starben in den vergangenen Wochen mehr als tausend Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten. (stu/sams)