"Amatrice ist nicht mehr zu retten"
26. August 2016"Amatrice muss komplett dem Erdboden gleichgemacht werden", sagte Ortsvorsteher Sergio Pirozzi. Im historischen Zentrum, das noch aus dem Mittelalter stammt, sei kein Gebäude mehr intakt. Die Ortschaft sei vollständig zerstört. "Wir wollen (den Ort) am gleichen Ort, vielleicht in gleicher Form und mit der gleichen Ästhetik aufbauen."
Nur noch ein Zufahrtsweg offen
Nach dem schweren Erdbeben und mehreren starken Nachbeben sind zudem die Zufahrtswege nach Amatrice weitgehend unpassierbar. Mehrere Brücken seien so stark beschädigt, dass sie nicht mehr benutzt werden könnten, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Es gebe nur noch eine funktionierende Brücke, die "Ponte Rosa", die aber ebenfalls vom Einsturz bedroht sei. "Wenn die Brücke nachgibt, haben wir keine Verbindung mehr zur Außenwelt", sagte Bürgermeister Pirozzi.
Die Ortschaft in der Region Latium war am Mittwoch von dem Beben besonders getroffen worden, mehr als 200 Menschen kamen allein hier ums Leben, noch immer sind mindestens 15 Menschen vermisst. Insgesamt kamen nach letzten Angaben des Zivilschutzes bei den Erdstößen in den mittelitalienischen Regionen Latium und Marken mindestens 278 Menschen ums Leben, 387 wurden verletzt ins Krankenhaus gebracht. Ähnlich stark wie Amatrice traf es die Orte Accumoli, Pescara del Tronto und Arquata del Tronto.
Die Retter suchen mehr als 50 Stunden nach dem Hauptbeben unter meterhohen Schuttbergen weiter nach Vermissten. Feuerwehrsprecher Luca Cari sagte, noch bestehe die Aussicht, Überlebende zu finden. "Noch sind wir in der Phase der Hoffnung", sagte er dem Sender RAI.
Staatsbegräbnis für die Opfer
Die Toten der Erdbebenkatastrophe werden am Samstag bei einem Staatsbegräbnis geehrt. Zu der Trauerfeier in Ascoli Piceno in den Marken kommen auch Staatspräsident Sergio Mattarella und Regierungschef Matteo Renzi. Zugleich wurde für Samstag ein nationaler Trauertag ausgerufen.
Ingenieure: Erdbebenschutz ist möglich
Das Beben hat einmal mehr den nachlässigen Umgang mit der Bausubstanz des Landes offenbart, trotz neuer Regeln zum besseren Bebenschutz. Ministerpräsident Renzi versprach für die Zukunft eine bessere Erdbebenvorsorge. "Das muss unsere Hausaufgabe für die Zukunft sein", so Renzi.
Das italienische Ingenieurkollegium schätzt, dass 15 Millionen Wohnungen, also die Hälfte aller Wohneinheiten in Italien, nicht ausreichend oder gar nicht gegen Erdbebenschäden gesichert sind. Damit seien rund 40 Millionen Menschen ständig der Gefahr von Erdbeben unterschiedlichster Stärke ausgesetzt.
Die Ingenieure schätzen die Kosten, die oft Jahrhunderte alten Häuser erdbebensicher zu machen, auf rund 93 Milliarden Euro. Das technische Know-how gebe es zur Erdbebenvorsorge in Italien, es fehle aber an politischem Willen und finanzielle Hilfen, sagte der Professor und Erdbebenexperte Paolo Bazzurro von der Universität IUSS in Padua der Zeitung "La Stampa". "Oft wehren sich auch die Gemeinden, weil sie negative Auswirkungen auf den Tourismus fürchten."
qu/fab (dpa, afp)