Italien hat gewählt: Krise? Welche Krise?
26. Februar 2018Siena, die malerische Stadt in der Toskana, ist Sitz der ältesten noch bestehenden Bank der Welt. 1472 wurde das Bankhaus "Monte dei Paschi di Siena" als Geldverleiher für Arme und Kleinverdiener gegründet. 2016 war Monte dei Paschi, auf einem Riesenberg fauler Krediten sitzend, fast pleite. Der italienische Staat musste die drittgrößte Bank Italiens mit knapp vier Milliarden Euro retten.
Mittlerweile hat sich Monte dei Paschi wieder erholt, aber nur, weil der Staat im Sommer 2017 die Aktienmehrheit übernahm. Die Krise scheint abgewendet, allerdings müssen noch etliche Filialen geschlossen und Mitarbeiter entlassen werden. Der Berg an Krediten, die abgeschrieben werden müssen, ist nicht nur bei "Monte dei Paschi" immer noch groß, sondern bei allen italienischen Banken: Insgesamt 64 Milliarden Euro müssten noch abgeschrieben werden.
Genau hier in Siena, dem Epizentrum der italienischen Bankenkrise, kandidiert der italienische Finanzminister Pier Carlo Padoan für einen Sitz im Parlament. Padoan, der erst kürzlich der sozialdemokratischen Partei beitrat, war für die Rettung der Bank verantwortlich. Auch andere Banken musste Padoan mit Steuergeld aus der Krise rauspauken. Jetzt sei alles wieder in Ordnung, sagt der Finanzminister im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Die Geschichte mit den faulen Krediten steuert auf ein Happy End zu. Die Rate an faulen Krediten ist heute 25 Prozent niedriger als vor einem Jahr. Das hat auch mit den Maßnahmen der Regierung zu tun. Ich sehe keine Bankenkrise in Italien im Moment", sagte Pier Carlo Padoan.
Banken spielen im Wahlkampf kaum eine Rolle
Dass vor wenigen Wochen mit der Banca Carige aus Genua ein weiteres Geldhaus an der Pleite vorbeischrammte, verdrängt der wahlkämpfende Minister offenbar. Überhaupt spiele diese wichtige Thema vor den Wahlen fast keine Rolle, beklagt der Wirtschaftsprofessor Ruggero Bertelli von der Universität in Siena. Da die italienische Wirtschaft im Moment leicht wachse und die Arbeitslosigkeit etwas abnehme, werde die unterschwellige Bankenkrise verdrängt. Zwar seien Monte dei Paschi und andere Banken wieder solvent, aber es gebe immer noch ungelöste Strukturprobleme, meint der Wirtschaftsprofessor gegenüber der DW. "Es gibt viel zu viele kleine Banken. Sie müssen fusionieren, und eine ganze Reihe von Zweigstellen müssen geschlossen werden, um Kosten zu sparen."
In der Toskana tritt Finanzminister Padoan gegen den Kandidaten der "Bewegung 5 Sterne" an. Leonardo Franci gilt bei den populistischen 5 Sternen als Finanzexperte. Er widerspricht dem Finanzminister: "Das Problem der faulen Kredite ist noch nicht gelöst. Die Bilanzen der Banken werden geschönt. Wir brauchen eine europäische Lösung für das Problem." Leonardo Franci schwebt vor, dass die Europäische Union den italienischen Banken ihre nicht bedienten Kredite abkauft. Die Banken in Italien sollten nicht mehr mit Steuergeldern aus Italien gerettet werden, so Franci. Die Banken hätten zu große Risiken übernommen und Kredite einfach falsch bewertet. Einen radikaleren Ansatz vertritt der Kandidat der rechtsnationalen Koalition in Siena, Claudio Borghi von der "Lega". Er will Monte dei Paschi komplett verstaatlichen und zwingen, mehr Kredite an Kleinunternehmer zu vergeben. "Die Linken haben die älteste Bank der Welt zerstört und behaupten jetzt sie hätten sie gerettet", wettert der rechte Kandidat.
Alle wollen die Staatsschulden senken - nur wie?
Die Wählerinnen und Wähler, die am kommenden Sonntag ein neues Parlament bestimmen, sollten sich auch mit dem anderen großen Krisenthema, mit den Staatsschulden, beschäftigten, meint Professor Ruggero Bertelli. Doch auch das passiere kaum. Vielmehr gehe es im Wahlkampf um Steuergeschenke und höhere Sozialausgaben, die der total verschuldete Staat wohl kaum finanzieren könne. Alle Parteien, so Bertelli, versprechen, dass sie die Schulden, die über 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen, senken wollen. "Das Ziel ist klar, aber wie man dahin kommt, ist nicht klar." Die überbordenden Staatsschulden seien das zentrale Problem Italiens. Das mit den Schulden werde man schon irgendwie hinkriegen, beschwichtigt der wahlkämpfende Finanzminister Padoan in Siena. Eine Krise kann er auch hier nicht erkennen. "Die Behauptung, dass Italien explodieren wird, habe ich in meiner langen Karriere schon so oft gehört. Es ist nie passiert. Italien ist widerstandsfähig. Natürlich sind die Schulden hoch. Aber jetzt steigen sie nicht weiter an, sondern beginnen zu sinken. Das Wachstum ist wieder da. Italien trägt zur Stabilität der Euro-Zone bei."
Die Staatsschulden müssen abgebaut werden. Das ist auch für den Kandidaten Lenoardo Franci von der Bewegung 5 Sterne klar. Einerseits müsse man dafür überflüssige Ausgaben streichen, andererseits sieht Franci auch hier die Europäische Union in der Pflicht. Zwar haben sich die 5 Sterne von ihrer Forderung, aus der Euro-Währungsgemeinschaft auszutreten, verabschiedet, aber die EU sollte Italien irgendwie entgegenkommen. "Wir wollen den Euro nicht mehr verlassen. Das wäre keine Lösung, sondern wir wollen mit großer Wucht innerhalb Europas verhandeln, damit die Länder am Mittelmeer besser leben können." Was er damit genau meint, bleibt auch auf Nachfrage unklar. Ein Schuldenerlass, wie ihn 5 Sterne-Spitzenkandidat Luigi di Maio schon mal gefordert hat, kommt für den Kandidaten in Siena nicht in Frage. "Das wäre das allerletzte Mittel, wenn internationale Spekulanten uns angreifen." Italien könne das aus eigener Kraft schaffen, glaubt Leonardo Franci. "Italien ist eigentlich reich. Wir haben viele Familien, die wohlhabend sind. Wir müssen Ausgaben streichen und die Binnennachfrage ankurbeln."
Stabile Regierung wäre nötig
Für den Wirtschafts-Professor Ruggero Bertelli ist klar, dass der Schuldenabbau nur funktionieren kann, wenn die italienische Wirtschaft weiter wächst - und zwar stetig. Im Moment liegt das Wachstum bei einem Prozent. Das ist wesentlich schwächer als das Wachstum der Euro-Zone insgesamt. Ein unklares Wahlergebnis könnte aber auch diese schwache Wachstum gefährden, warnt Bertelli. "Zurzeit haben wir ein gutes Momentum in der Wirtschaft. Das darf nicht durch die Wahlen unterbrochen werden. Deshalb muss möglichst bald eine Koalitionsregierung geben, auch wenn alle Parteien heute sagen, dass sie alleine regieren wollen."