Italiens Probleme bleiben
5. Dezember 2016Die gute Nachricht zuerst: Anders als von vielen befürchtet, blieben die Finanzmärkte am Montag entspannt. Die Indizes der großen Börsen in London, Frankfurt und Paris notierten im Plus, und selbst an der Mailänder Börse hielt sich der Verlust mit weniger als einem Prozent in Grenzen. Auch die Rendite auf italienische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit blieb unverändert bei rund zwei Prozent.
Anleger, so scheint es, waren vom Nein der Italiener beim Verfassungsreferendum ebenso wenig überrascht wie vom angekündigten Rücktritt von Premierminister Matteo Renzi. Alles gut also?
Nicht ganz. Denn die alten Probleme bleiben, und von einer Lösung scheint das Land nun noch weiter entfernt als zuvor. Da sind vor allem die Banken, die unter einem Berg an faulen Krediten leiden - insgesamt rund 360 Milliarden Euro, schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF).
Wo sind die Milliarden?
Zwei der größten Banken des Landes, Branchenprimus Unicredit und Monte dei Paschi di Siena (MPS), die Nummer drei, wollen in den nächsten Wochen Milliarden für eine Kapitalerhöhung auftreiben. Sie brauchen das Geld, um einen Teil ihrer faulen Kredite in einen Rettungsfonds auslagern zu können. Die Suche nach Investoren könnte jetzt noch schwieriger werden als ohnehin schon. An der Mailänder Börse gehörten Bankaktien am Montag zu den großen Verlierern.
MPS braucht fünf Milliarden an frischem Geld - das ist fast neunmal so viel, wie die Bank derzeit an der Börse wert ist. Unicredit hofft, bis zu 13 Milliarden einsammeln zu können, ebenso viel wie ihr aktueller Börsenwert.
MPS steht unter besonderem Druck. Die Bank wollte das Geld eigentlich bis zum Jahresende einsammeln und schon in dieser Woche einen großen Investor präsentieren, einen sogenannten Ankerinvestor. "Wir denken, das Nein-Votum macht es für Monte dei Paschi schwieriger, einen Ankerinvestor zu finden", so die Analysten der US-Investmentbank Morgan Stanley.
Branchen-Insidern zufolge wollten sich Investoren am Montag zu einer Krisensitzung treffen, um ihre Optionen zu besprechen. Sollte die Bank das Geld nicht auftreiben können, muss am Ende wohl der italienische Staat einspringen. Angesichts der gewaltigen Verschuldung von 130 Prozent der Wirtschaftsleistung ist auch das keine leichte Aufgabe.
"Trotzdem sollten wir uns keine allzu großen Sorgen machen", sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Bank ING Diba. "Denn die italienischen Staatsschulden werden vor allem von Italienern gehalten, und ich glaube nicht, dass die ihre Anleihen verkaufen." Außerdem seien die Zinsen weiterhin sehr niedrig. "Es ist also möglich, die Schulden zu bedienen", so Brzeski zur DW.
Neue Krise für die Eurozone?
Brzeski ist auch optimistisch für den Fall, dass die nächste italienische Regierung von einem Technokraten geführt wird, also einem Fachmann, der von einer breiten parteiübergreifenden Basis im Parlament gestützt wird. "Eine technokratische Regierung könnte große Reformen im Bankensektor angehen - vielleicht sogar besser, als Renzi das gekonnt hätte."
Vor dem Referendum war viel darüber spekuliert worden, ob ein Nein und ein Rücktritt Renzis die gesamte Eurozone erschüttern könnten. Auch hier zeigten sich die Finanzmärkte entspannt. Der Euro gab gegenüber dem US-Dollar zwar kurzzeitig nach, konnte dann aber wieder zulegen und notiert inzwischen wieder auf dem Stand von Mitte November.
Jetzt warten die Anleger gespannt das Ratstreffen der Europäischen Zentralbank (EZB) an diesem Donnerstag. "Auf die Märkte hat das wahrscheinlich einen größeren Einfluss als das Referendum", glaubt Brzeski.
Trotzdem bestehe die Gefahr, dass die Lage in Italien die gesamte Eurozone schwäche, befürchtet Marcel Fratzscher, Chef des größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts DIW in Berlin. "Meine Sorge ist, dass Italien nun der erste Dominostein ist für ein wieder schwächeres in Europa, mit weniger Wachstum und größerer Instabilität an den Finanzmärkten."
Nicht nur Italien stehe unter Druck, sondern die gesamte Eurozone, so Fratzscher zur DW. Um die Dauerkrise in Europa zu beenden, müssten die Regierungen der Eurozone endlich eine gemeinsame Strategie entwickeln - für mehr Wachstum und geringere Arbeitslosigkeit. "Das geht nur durch mehr und bessere Zusammenarbeit. Und das bedeutet auch, dass Deutschland mehr Verantwortung übernehmen muss für Europa."