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Musik

Jazz over Corona: JazzBeet-Finale in Bonn

14. Juni 2021

Das Matthieu Mazué Trio aus der Schweiz ehrt Ludwig van Beethoven auf einzigartige Weise und gewinnt damit den internationalen Wettbewerb des Jazzfest Bonn.

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Finale des Wettbewerbs, Juroren und Finaluiste
Finale "Hybrid": die Jury verkündet die Entscheidung, die Finalisten sind zugeschaltetBild: Jazzfest Bonn/Nathan Dreessen

"Im Leben ist stets Platz für Heldentaten", schrieb einmal der russische Schriftsteller Maxim Gorki. Wieder einmal hat das Team des Jazzfest Bonn die Richtigkeit dieser Maxime unter Beweis gestellt: Während die Konzerte des Festivals pandemiebedingt zum dritten Mal in die teilweise unklare Zukunft verschoben werden müssen, fand am 12. Juni in Bonn das Finale des internationalen JazzBeet-Wettbewerbs statt.

Und das in Corona-geschuldeter "hybrider" Form: Die Jury, hochkarätig besetzt mit der "Lyrikerin des deutschen Jazz", der Pianistin Julia Hülsmann, dem Echo-Preisträger und Saxophonisten Roger Hanschel sowie dem renommierten Jazzkritiker Ulrich Stock, hörte sich in Bonn "in Präsenz" die Auftritte der Bands an, die aus deren jeweiligen Heimatländern Deutschland, Ungarn, der Schweiz, Deutschland und den USA gestreamt wurden.  

Mitglieder des Matthieu Mazué Trios
Erhaben, aber nicht abgehoben: die Mitglieder des Matthieu Mazué TriosBild: Xaver Rüegg/Jazzfest Bonn

30 junge Jazz-Trios aus zahlreichen europäischen Ländern und den USA hatten sich für den Wettbewerb beworben, mit dem das Jazzfest Bonn und die BTHV2020-Jubiläumsgesellschaft auch auf diese jazzige Art den 250. Geburtstag des großen Improvisators Ludwig van Beethoven huldigen wollten. Sechs Bands kamen in die engere Wahl und hätten im Mai 2020 in Bonn auftreten sollen. Es kam anders. Dennoch: "Wir sind sehr glücklich, dass es uns auf diese Weise gelungen ist, den JazzBeet-Wettbewerb trotz der herausfordernden Umstände durchzuführen", sagt Gründer und Leiter des Bonner Jazzfestes Peter Materna.  

"And the winner is …" 

Obwohl die Unterschiede zwischen den Finalisten kaum größer sein konnten, war die Jury sich sofort einig, wer der Gewinner sein würde. Nämlich das Matthieu Mazué Trio aus der Schweiz. 

"Ein Trio mit herausragender Interaktion gleichberechtigter Akteure, kraftvoll, ohne es an Sensibilität fehlen zu lassen, zeitgenössisch in seiner Ästhetik, mit einem erfrischenden Mut zum Risiko. Transparent und dicht, mal poetisch, mal mysteriös, und mit der Gabe, in aller Ruhe Spannung zu entwickeln. Komplex, aber nicht abgehoben. Fanden wir toll", so Jury-Mitglied Ulrich Stock im DW-Gespräch. Die Bandmitglieder des Trios, Pianist Matthieu Mazué, Bassist Xaver Rüegg und Schlagzeuger Michael Cina, können sich damit sowohl über das Preisgeld als auch einen Live-Auftritt bei einem der kommenden Konzerte des Jazzfest Bonn freuen.  

Die Jury-Mitglieder Ulrich Stock, Julia Hülsmannund Roger Hanschel beim Auftritt der Finalisten
Beim Wettbewerb: die Jury-Mitglieder Ulrich Stock, Julia Hülsmann und Roger Hanschel beim Auftritt der per Video zugeschalteten FinalistenBild: Jazzfest Bonn/Nathan Dreessen

Den zweiten und dritten Platz belegten in der Reihenfolge das Will Kjeer Trio aus den USA, die mit glanzvollem, man möchte fast sagen: "echt amerikanischem" Jazzen überzeugte, und Fiona Grond Interspaces aus Deutschland, eine kraftvolle Formation um die Vokalistin Fiona Ground unter dem Motto "Struktur trifft Sphäre". Das junge D.A.S. Trio aus Ungarn und das HarpBeat Trio aus Italien teilen sich den vierten Platz.  

Mit Jazz zu Beethoven 

Die Bedingungen des Wettbewerbs waren so einfach wie anspruchsvoll: Die Trio-Mitglieder mussten jünger als 27 Jahre alt sein und hatten eine Komposition zu entwickeln, die sich auf ein Werk Ludwig van Beethovens bezog. Drei standen zur Auswahl: Die "Große Fuge", die "Waldstein"-Sonate sowie der 2. Satz der Siebten Sinfonie, das berühmte Allegretto, für das sich die meisten Musiker entschieden. 

Festspielleiter Peter Materna
Ein Musiker als Festspielleiter: Peter Materna ist ein Jazz-SaxophonistBild: Lutz Voigtländer

Warum wurde der Wettbewerb ausgerechnet für Trios ausgerufen? "Die Drei ist eben keine Zwei und keine Eins", philosophiert der Jazzfest-Leiter Peter Materna. "Die Kommunikation, die Intensität im Austausch ist das elementare Moment, wo eben nicht ein Dialog, sondern ein 'Trialog', ein Dreiergespräch, stattfindet. Das ist eine ganz andere Dimension und unglaublich spannend." 

Jazz: Musik der Stunde  

Es sind, weiß Gott, keine einfachen Zeiten, die die internationale Jazz-Szene während der Pandemie durchmacht. "Viele arbeiten ja ganz frei für relativ wenig Geld, und wenn dann gar nichts mehr geht, kann man sich höchstens mit Unterrichten über Wasser halten. Aber gerade die Jungen unterrichten noch nicht so viel", so der Szenekenner Ulrich Stock. Damit ist der Bonner Wettbewerb auch ein wichtiges Zeichen der Solidarität und Unterstützung, gerade für die Jungen der Szene. 

Und deren Zeit wird bald kommen, so der Jazz-Experte Stock, denn "der Jazz hat gerade eine Blütezeit. Es gibt Veranstaltungen und Clubs, wo das Publikum Mitte zwanzig ist. Das hat es lange nicht gegeben." Denn Jazz ist eine Kunst des Moments, direkt und unmittelbar. Gewissermaßen ein Gegengift zum Corona-Blues, der Vereinsamung am Bildschirm und der allgegenwärtigen Oberhand von Digitalität.

Frauen im Jazz 

Auffallend stark und frisch ist auch Präsenz der Frauen in der aktuellen jungen Jazz-Szene. Bei zwei der Finalisten-Trios standen junge Musikerinnen im Mittelpunkt - etwa die italienische Harfen-Virtuosin Ottavia Rinaldi von HarpBeat Trio. Die im Jazz eher selten zu erlebende Harfe ist eine zarte, aber handfeste Konkurrenz zum Klavier. 

Ottavia Rinaldi, Solistin von HarpBeat Trio aus Italien
Zarte Power: Ottavia Rinaldi ist Solistin von HarpBeat Trio aus ItalienBild: Rosario Patanè/Jazzfest Bonn

Spielen Frauen einen anderen Jazz als Männer? Sicher nicht, meint Jurorin Julia Hülsmann. "Aber es ist tatsächlich so, dass der Jazz sehr viel vielseitiger sein kann und auch ist, wenn mehr Frauen dabei sind." 

Und auch wenn die Finale des Wettbewerbs die Möglichkeiten der virtuellen Zeitalter überzeugend unter Beweis gestellt hatte, auf eins freuen sich alle Teilnehmer ganz besonders: möglichst bald wieder live und vor Publikum spielen zu können. Hoffentlich ist das spätestens beim nächsten Jazzfest Bonn im Juni 2022 wieder möglich.