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Jean Ziegler: "Mehr sabotieren kann man nicht"

Das Interview führte Jan M. Schäfer16. Juni 2008

Jean Ziegler spricht im Interview mit DW-WORLD.DE über die angebliche Einseitigkeit des Menschenrechtsrates, die Rolle der USA und die Kritik am Führungsstil des UN-Generalsekretärs.

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Porträt Ziegler (Quelle: AP)
Der Schweizer Jean Ziegler - Soziologe, Buchautor und Berater des MenschenrechtsratsBild: AP

Jean Ziegler, Soziologe und Autor des Buches "Das Imperium der Schande", war Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN). Im März 2008 wurde er in den beratenden Ausschuss des Menschenrechtsrates gewählt. Der Rat tagt bis zum 18. Juni in Genf.

DW-WORLD.DE: Herr Ziegler, der Menschenrechtsrat ist oft in der Kritik, weil die südlichen Länder gegenüber dem Westen in einer Zweidrittelmehrheit sind. So werden viele Vorschläge aus Europa blockiert. Was muss sich ändern?

Großer Sitzungssaal (Quelle: AP)
Der Menschenrechtsrat tagt in GenfBild: AP

Jean Ziegler: In der UNO hat jeder Staat eine Stimme. Das kann man nicht ändern. Natürlich ist die Zweidrittelmehrheit ein starker Machtfaktor. Aber das hat nichts mit einer Verschwörung oder so etwas zu tun. Es ist gut, dass es den Menschenrechtsrat gibt. Alle wichtigen Regierungen sind dabei - nur die USA machen nicht mit. Abgesehen davon ist er sehr repräsentativ. Die Länder haben nun einmal unterschiedliche historische Entwicklungen, Werte und Interessen, die sich zum Teil gegenüberstehen. Da hilft nur der Dialog. Und dafür bietet der Menschenrechtsrat den Rahmen.

Die USA haben angekündigt, sich von ihrem Beobachterstatus im Menschenrechtsrat zurückzuziehen. Welche Rolle spielen die USA?

Der Menschenrechtsrat ist die drittwichtigste Instanz in der UNO-Hierarchie, aber die USA ziehen sich total zurück. Sie wollten sich nicht zur Wahl stellen, und sie würden sich einer Überprüfung ihrer Menschenrechtslage entziehen. Und nun haben sie von ihrem jährlichen Beitrag an die UNO den Anteil für den Menschenrechtsrat gestrichen. Es gibt also eine Budget-Sanktion. Die USA wollten den Rat von vornherein nicht haben. Ihr UNO-Botschafter John Bolton sagte, der Menschenrechtsrat sei Ballast. Seit der Gründung des Rates vor zwei Jahren spielen sie eine total negative Rolle. Mehr sabotieren kann man nicht.

Generalsekretär Ban Ki Moon sucht einen Nachfolger für Louise Arbour, die Ende Juni als Hochkommissarin für Menschenrechte abtritt. Nun werfen Diplomaten und Menschenrechtsorganisationen dem Generalsekretär Intransparenz vor. Ist Ban Ki Moon ein Geheimniskrämer?

Der Generalsekretär hat juristisch das Recht, ganz allein den Hochkommissar zu benennen. Es geht also schon mit rechten Dingen zu, aber er handelt sehr undurchsichtig. Das ist gefährlich, weil die öffentliche Unterstützung fehlt. Das ist psychologisch nicht gut. Es müsste eine ganz große Konsultation stattfinden - mit der Zivilgesellschaft, mit den demokratischen Staaten und so weiter. Und dann müsste man zuerst ein Profil erstellen. So wie bei einer Universität, wenn ein neuer Lehrstuhl besetzt wird. Die Stelle wird ausgeschrieben und man sagt, was man vom Kandidaten erwartet.

Also was müsste der Generalsekretär konkret tun?

Der Generalsekretär müsste sagen, in welche Richtung wir mit den Menschenrechten wollen. Haben die politischen Rechte Priorität oder die ökonomischen Rechte? Für die USA, Kanada, Australien und andere Regierungen gibt es keine ökonomischen Rechte. Es gibt nach ihrer Auffassung kein Recht auf Nahrung - den Hunger in der Welt kann nur der Markt lösen. Für die Entwicklungsländer haben die ökonomischen Rechte dagegen absolute Priorität – weil diese Länder den Hunger erleben. Weil sie die Unterentwicklung und die Armut erleben. Hier müsste man deutlich machen, was vom neuen Hochkommissar erwartet wird – anstatt im vatikanischen Stil hinter verschlossenen Türen Gerüchte steigen zu lassen.