Johannes Hahn: "Jede Stimme beim Referendum zählt"
21. September 2018DW: In den letzten Wochen haben wir erlebt, dass die führenden europäischen und internationalen Politiker ganz offen ihre Unterstützung für das Referendum über die Namensänderung kundgetan haben. Warum ist der Erfolg dieses Referendums für Sie und für die Europäische Kommission so wichtig?
Johannes Hahn: Dieser Konflikt ist einer von vielen, über die man verhandelt, aber oft ist man von einer Lösung weit entfernt - man spricht auch von gefrorenen Konflikten. Daher war es ein unerwartetes Ereignis, dass die Führer von beiden Ländern schließlich Führung zeigten und sich einigen konnten. Das ebnet früher oder später den Weg für die gesamte Region in die EU - und ich hoffe, es wird eher früher. So gesehen ist das etwas, was man beglückwünschen soll. Es ist normal, dass die EU und die Vertreter der internationalen Gemeinschaft hier sind und ihre Unterstützung zeigen.
Sie haben sich auch mit dem Oppositionsführer in Mazedonien, Hristijan Mickoski, getroffen und auch mit den Bürgern der Stadt Stip. Wie lautet ihre Botschaft?
Wie überall dort, wo Wahlen sind, soll jeder sein demokratisches Recht nutzen, und an der Abstimmung teilnehmen. Wie wir in Großbritannien gesehen haben, jede Stimme zählt, gerade wenn es um die Zukunft des Landes geht. Vor allem für die jüngere und die mittlere Generation, die ein besonders großes Interesse an der Entwicklung des Landes haben, ist es wichtig, dass sie frei entscheiden, wie es weiter gehen soll. Und sie sollen natürlich entscheiden können aufgrund seriöser Informationen, die von den unabhängigen Medien verbreitet werden. Das ist wichtig und ist ein Zeichen für eine reife Demokratie.
Was werden die Konsequenzen für Mazedonien sein, wenn das Referendum scheitert?
Das Referendum hat eine beratende Funktion, ist an sich nicht verpflichtend. Die endgültige Entscheidung wird vom Parlament in Skopje gefällt. Sicherlich ist das Referendum aber, selbst wenn es beratend ist, ein Hinweis. Man muss sich der Konsequenzen bewusst sein. Das Land versucht seit über zehn Jahren, Verhandlungen mit der EU aufzunehmen. Alle politischen Parteien haben sich wiederholt dem euro-atlantischen Weg dieses Landes verschrieben. So gibt es, wenigstens theoretisch, eine einstimmige Unterstützung von allen politischen Akteuren. Ich hoffe, das wird auch in der Praxis so sein. Natürlich können verschiedene Details immer diskutiert werden. Aber jetzt geht es um eine allgemeine Perspektive und zu der Demokratie gehört auch, dass man ein gutes, realistisches Geschäft erreicht. Ein guter Deal ist ein Kompromiss, bei dem jeder etwas bekommt. Jetzt sind aber die Bürger an der Reihe, sie sind der Souverän und ich rufe sie auf, die Chance zu ergreifen.
Sie haben kürzlich zu einem besseren Verständnis eines möglichen Abkommens zwischen Serbien und dem Kosovo aufgerufen. Ist die Europäische Kommission bereit, den Austausch von Gebieten zwischen den beiden Ländern zu akzeptieren, wenn dies zu einer nachhaltigen Lösung zwischen den beiden Ländern führt?
Wie ich es auch schon oft gesagt habe, ist es verfrüht, etwas darüber zu sagen. Meine Bitte und das, wofür ich stehe, ist: Lassen Sie sie verhandeln. Es ist ihnen jetzt klar, nachdem diese Idee öffentlich geworden ist, was die Hindernisse sind, nicht nur für ihre Bürger, sondern auch für die internationale Gemeinschaft. Schließlich ist es klar, dass alle eine Lösung suchen, aber alle zeigen deutlich, dass jede bilaterale Lösung zu mehr Stabilität in der Region beitragen muss, und nicht umgekehrt.
In Skopje nahmen Sie teil an der zweiten von der EU organisierten Medienkonferenz. Sind Sie mit der Freiheit der Medien in der Region zufrieden?
Noch nicht. Es gibt Fortschritte, aber ehrlich gesagt möchte ich schnellere, stabile und umfassende Schritte nach vorne sehen. In dem Sinne ist es wichtig, dass man zusammenkommt, so wie in diesem Rahmen wenigstens einmal im Jahr. Es ist wichtig, dass man all die verschiedenen Aspekte diskutieren kann. Daher war es wichtig, die Vertreter der Medienbranche mit ihren Problemen zu hören, aber es ist auch wichtig für die Journalisten, die ihre Erfahrungen austauschen konnten.
Johannes Hahn ist ein österreichischer Politiker der ÖVP und seit 2014 EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen.
Das Gespräch führte Boris Georgievski