Juncker EVP-Spitzenkandidat
11. März 2014Es waren zwei sehr unterschiedliche Kandidaten. Einerseits der Franzose Michel Barnier, derzeit EU-Binnenmarktkommissar: vornehm, seriös, aber auch etwas steif; das Englische bereitet ihm immer noch Mühe, obwohl es besser wird. Seine Bewerbungsrede in Dublin hielt er fast ganz auf Englisch und bewies damit auch seine sprachlichen Fortschritte. Auf der anderen Seite der langjährige frühere luxemburgische Ministerpräsident und Ex-Präsident der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker: Er verbindet sehr viel Erfahrung mit trockenem Humor und spricht fließend Französisch, Deutsch und Englisch. Von Anfang an galt er als der klare Favorit, auch deswegen, weil er die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat. Knapp 40 Prozent Zustimmung für Barnier war dann aber ein Achtungserfolg für den Rivalen.
Europa soll fairer werden
Trotz ihrer Verschiedenheit setzten beide aber ähnliche Prioritäten. Europa soll fairer, die Lasten der Krise gerechter verteilt werden. Juncker sagte, die Millionen von Arbeitslosen dürften nicht der 29. Mitgliedsstaat der EU werden. Die Spaltung Europas zwischen Nord und Süd während der Krise will er überwinden, das Soziale nicht den Sozialisten überlassen. Er selbst sieht sich als "Brückenbauer und Konsensmaschine". Europa solle sich auch nicht in alle Bereiche im Leben der Bürger einmischen, in ihre "Essgewohnheiten" zum Beispiel. Die Angst geht um bei den Konservativen, nicht nur, dass die Sozialisten unter ihrem Spitzenkandidaten, dem aktuellen Parlamentspräsidenten Martin Schulz, sich bei den Wählern vielleicht doch als die besseren Sozialpolitiker herausstellen. Die wohl noch größere Sorge ist, dass viele Wähler entweder gar nicht zur Abstimmung gehen, oder wenn doch, dass sie dann extreme und europafeindliche Parteien wählen.
Wieder lernen, stolz auf Europa zu sein
Die EVP will Europa wieder als Erfolg verkaufen. Auch die Krisenbewältigung sei trotz der Härten insgesamt ein Erfolg, betonte Redner um Redner, seien es Bundeskanzlerin Merkel, der irische Ministerpräsident und Gastgeber Enda Kenny, dessen Land nun wieder ohne Rettungsschirm auskommt, oder Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Viele Menschen machten zu Unrecht die EU für die Härten in ihrem Leben verantwortlich, klagte Barroso. Dabei sei "das unverantwortliche Verhalten der Finanzmärkte und mancher Regierungen" schuld. Trotzdem habe Europa entgegen allen Unkenrufen die Krise bestanden. Juncker forderte: "Wir müssen wieder lernen, auf Europa stolz zu sein."
Parteien erhoffen sich mehr Bürgerinteresse
Die europäischen Parteienfamilien haben auch deswegen Spitzenkandidaten gewählt, weil sie die Wahl interessanter und personenbezogener machen wollen. Die Bürger sollen über die Europawahl indirekt auch über den Kommissionspräsidenten abstimmen. Denn die EU-Regierungen sollen nach dem Lissabon-Vertrag erstmals das Ergebnis der Wahl bei der Benennung des Kommissionspräsidenten "berücksichtigen". Der deutsche CDU-Europaabgeordnete und ehemalige Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering hofft im Gespräch mit der Deutschen Welle, dass dieser Zusammenhang "die Aufmerksamkeit der Bürger verstärkt. Wenn man Personen hat, die für das Amt des Kommissionspräsidenten infrage kommen, dann schafft es mehr Attraktivität." Trotzdem ist es nicht ausgemacht, dass der Spitzenkandidat der stärksten Parteigruppierung tatsächlich Kommissionspräsident wird. Die EU-Regierungen könnten durchaus eine andere Person vorschlagen. Gerade Merkel hatte sich gegen jeden "Automatismus" gesperrt. Aber die Parteien haben jetzt Erwartungen geweckt. Es wird in Zukunft schwieriger für die Staats- und Regierungschefs, die Spitzenkandidaten zu ignorieren.