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Junge Türken und ein Nachwuchsgeiger

Rick Fulker26. September 2014

Türkische Nachwuchsmusiker geben ihre Sicht auf Beethoven - und ein deutscher Solist auf Erfolgskurs lässt viel für die Zukunft hoffen.

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Tobias Feldmann mit dem Bikent Youth Symphony Orchestra
Bild: DW/Matthias Müller

Im kleinen Altarraum einer hell beleuchteten Backsteinkirche in Berlin spielen fast achtzig junge Musikerinnen und Musiker. Bei einer ebenso hellen Akustik entfaltet das Werk "Tableaux Vivants d'une Résistance" eine große Wirkung. Noten gehen in rhythmische Impulse über, Klangeffekte mit gleitenden Übergängen in ein riesiges Farbspektrum. Es ist ein kompaktes Stück. "Ob das Werk türkische Elemente enthält?", wurde der Komponist vor dem Konzert gefragt. "Jeder Türke, der das hört, erkennt Istanbul darin sofort wieder" , war die Antwort.

Tolga Yayalar und Adelheid Feilcke
Tolga Yayalar und Adelheid Feilcke von der DW im GesprächBild: DW/Matthias Müller

Tolga Yayalar kann auf seine "Tableaux", die er im Auftrag der Deutschen Welle komponierte, stolz sein. Vor einem Publikum aus eingeladenen Gästen spielte das Bikent Youth Symphony Orchestra aus Ankara in der Berliner Elisabethkirche, einem antikisierenden Bau des berühmten preußischen Architekts Karl Friedrich Schinkel. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Kirche fast ein halbes Jahrhundert lang eine Ruine, wurde dann mit Mitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wiederaufgebaut. Beim Berliner Konzert des Beethovenfest-Orchestercampus entstand im schlichten Innenraum eine enge Verbindung zwischen Musikern und Publikum.

Zukunftsmusik

Von Yayalar wird noch zu hören sein. Ebenfalls vom Solisten des Abends, dem 23 Jahre jungen Geiger Tobias Feldmann. Auf einer Stradivari spielte er das Violinkonzert in D-Dur von Ludwig van Beethoven: souverän, tonsicher und impulsfreudig. Das Instrument ist eine Leihgabe der Deutschen Stiftung Musikleben in Hamburg; sie wurde Feldmann vor eineinhalb Jahren als Preis nach dem Gewinn mehrerer Musikwettbewerbe zugesprochen. Energisch und robust kam dann auch die Antwort vom Orchester. Für Feldmann waren die jungen Türkinnen und Türken auch Impulsgeber: "Es macht großen Spaß mit ihnen zu spielen. Man bekommt den Eindruck, für sie handele es sich um mehr als nur Musik. Sie treiben mich sozusagen voran - auch bei diesem sehr komplexen, jedoch sehr zugänglichen Werk Beethovens."

Cellisten des Bikent Youth Symphony Orchestras Ankara
Cellisten des Bikent Youth Symphony OrchestrasBild: DW/Matthias Müller

Alle Menschen werden Brüder?

"Musik verbindet, baut Brücken, dient der Volkerverständigung", heißt es so oft, dass die Worte fast zur Floskel geworden sind. Für Isin Metin, den Dirigenten des Abends, sind sie jedoch wahr: "Ich glaube zwar, dass man Musik oder Musiker nicht mit dieser Verantwortung befrachten oder belasten sollte. Ein Komponist schreibt Musik nicht, um eine Brücke zu bauen. Dennoch sollen Musikliebhaber tatsächlich Musik zu diesem Zweck verwenden, und Musiker sollen stolz sein, wenn sie dabei eine Rolle spielen können. Denn der Musik wohnt wirklich die Kraft inne, kulturbedingte Hindernisse zu überwinden. Sie entsteht im Herzen und berührt das Herz auch." Das zeitgenössische türkische Werk, das unter dem Eindruck von Zivilprotesten und Demonstrationen entstanden ist, lässt über die Sätze nachdenken.

Tobias Feldmann und Isin Metin
Charismatisch und intim: Tobias Feldmann, Isin Metin und die jungen TürkenBild: DW/Matthias Müller

Die Türkei ist eine pluralistische, auch auseinanderstrebende Gesellschaft, schaut gleichzeitig gen Orient und Europa. Sie hat eine islamisch geprägte Regierung, unter der Kapitalismus und Konsum explosionshaft wachsen. Welche Rolle spielt die klassische Musik dort? Eine Nischenrolle - und darin ist die zeitgenössische Klassik die Nische einer Nische.

Isin Metin setzt das jedoch in einen historischen Kontext: "In den 20er, 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts haben Japan und Korea die Klassik in ihre Gesellschaft eingeführt. Sie nannten sie 'universale Musik'. Ich glaube nicht, dass dadurch ein Konflikt mit der eigenen Traditionen entstanden ist. Nachher kam China hinzu. Nun gehört die Klassik ohne Zweifel dorthin."