Jüdische Filmtage in Moskau
14. Juni 2017Mit einer Bitte wendet sich der Veranstalter Egor Odinzov im "Oktjabr", dem ehrwürdigen großen Kino von Moskau, an die versammelte Presse: "Schreiben Sie bloß nicht, die Juden hätten ausgerechnet am Tag Russlands umsonst Alkohol ausgeschenkt!" Das Publikum lacht: Volltreffer. Die besten jüdischen Witze kämen von den Juden selbst, fügt der Moderator verschmitzt hinzu. Dabei wollte er eigentlich nur dem Sponsor danken.
Eine Woche lang werden jüdische Witze, jüdische Bräuche, jüdische Kultur, die Politik Israels, aber auch Themen wie Holocaust und Gründung des Staates Israel das Moskauer Publikum bereichern. Das Ziel des Festivals: das besondere - weil eben jüdisch - Kino zu zeigen.
"Ist nicht jedes Kino ein bisschen jüdisch?", scherzt zur Eröffnung der Jury-Vorsitzende Pavel Lungin. "Die Juden haben doch Hollywood erfunden. Sie kamen dorthin aus allen Teilen der Welt. Auch aus Russland. Jetzt kommt das jüdische Kino eben nach Moskau zurück. Uns allen ein schönes Fest!"
Und das wird es sicher werden. 50 Beiträge an acht Tagen: Spielfilme, Kurzfilme, Dokumentationen aus Israel, Russland, Europa und den USA. Dazu Sonderveranstaltungen und Diskussionen. Ein strammes Programm, das vor allem einem Thema gewidmet ist: dem Glauben an den Menschen und daran, dass man ihn besser machen kann.
Festivalauftakt mit deutscher Liebeskomödie
Zum Auftakt gibt es die schräge deutsche Farce "Die Blumen von gestern", in der zwei Kulturen aufeinanderprallen: ein deutscher Gutmensch trifft auf eine französische Jüdin. Schauspieler Lars Eidinger verkörpert einen der Enkel der Täter, der in seinem Forschungsprojekt auf die Opfer des Holocaust trifft. Eine humoristische Liebesgeschichte, die in ihrer Haltung an Roberto Benignis "Das Leben ist schön" erinnert und in der Regisseur Chris Kraus sich über die Verlogenheit der deutschen Erinnerungskultur lustig macht.
Ein perfekter Zugang zum schwierigen deutschen Erbe, dessen Rezeption Schauspieler Lars Eidinger gerade in Russland interessiert. Der Deutsche kam zum Festivalauftakt extra selbst nach Moskau. "Wie wir alle wissen, verfügen die Juden über einen ausgezeichneten Humor und der findet sich im Film wieder", erzählt Eidinger der DW. "Aber jetzt hier als Deutscher nach Russland zu kommen und einen Film zu präsentieren, der sich damit auseinandersetzt, ist für mich etwas ganz Besonderes."
Streit um Eidinger-Film in Russland
Etwas ganz Besonderes ist für Eidinger allerdings auch die aktuelle Auseinandersetzung mit seinem neuen Film "Matilda", in dem er den letzten russischen Zaren Nikolaus II. spielt. Der Film des russischen Regisseurs Alexey Utschitel beleidige angeblich die religiösen Gefühle der Gläubigen und soll deshalb verboten werden. Die russische Staatsanwaltschaft ermittelt. Im Oktober sollte "Matilda" in die deutschen und russischen Kinos kommen.
Da haben es "Die Blumen von gestern" in Russland leichter. Darüber, dass der Film die religiösen Gefühle der Juden verletzten könnte, beschwert sich niemand, zumindest nicht auf dem Moskauer Filmfestival. Hier werden "Die Blumen von gestern" und Hauptdarsteller Eidinger auf der Bühne des "Oktjabr" bejubelt.
Die jüdische Gemeinde Russlands, die das Festival federführend organisiert, erlebt zur Zeit einen kulturellen Aufschwung. Das neulich eröffnete Jüdische Museum ist eines der besten im Land und ein Publikumsrenner. Das Moskauer Filmfestival soll "eine Symbiose schaffen, zwischen der Liebe zur jüdischen Kultur und der Liebe zur Filmkunst", versprechen die Veranstalter auf ihrer Internetseite. Das wird ihnen ganz sicher gelingen und das vorwiegend junge Moskauer Publikum begeistern.