Kämpfe im Nordosten Myanmars
20. Februar 2015Im Shan-Staat im Nordosten Myanmars geht das Militär weiter massiv gegen vermutete Verstecke und Stellungen von bewaffneten Rebellen aus den Reihen der dort ansässigen chinesischen Volksgruppe vor. Diese sogenannten Kokang-Rebellen und insbesondere die bewaffnete Gruppe Myanmar National Democratic Alliance Army, kurz MNDAA, hatten am 9. Februar einen Überraschungsangriff auf Regierungstruppen in Laogai (Laukkai) durchgeführt, bei dem mindestens 50 Soldaten getötet worden sein sollen.
Infolge der Gegenschläge der Armee am Boden und aus der Luft sind über 30.000 Bewohner über die Grenze in die chinesische Provinz Yunnan geflohen. Die Zahl der Binnenflüchtlinge, die zum großen Teil in die rund 140 Kilometer entfernte größere Stadt Lashio strömen, beläuft sich nach Angaben von Hilfsorganisationen auf über 3000.
Chinas Rolle
Myanmar hat China unterdessen aufgefordert, zu verhindern, dass "terroristische Angriffe" von seinem Territorium aus auf Myanmar unternommen würden. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert einen Mitarbeiter des Präsidialamtes von Myanmar mit den Worten: "Die Stabilität und Sicherheit an der Grenze, um die sich China Sorgen macht, wären sofort wiederhergestellt, wenn China Peng Jiasheng und seine Genossen festnähme und an die Behörden von Myanmars überstellten, sollten sich diese Personen in Myanmar aufhalten."
Der inzwischen 85-jährige Peng Jiasheng ist der Anführer der MNDAA. Die Organisation war 1989 aus der bis dahin von China unterstützten KP Birmas hervorgegangen. Ein Waffenstillstandsabkommen zwischen den Rebellen und der Regierung hielt bis 2009. Während dieser zehn Jahre stand die Region Kokang, auch als "Shan State Special Region 1" bekannt, unter der Verwaltung der MNDAA und "gehörte zu einem der größten Opiumanbaugebiete in Myanmar", wie Myanmar-Experte Tim Paul Schroeder gegenüber der Deutschen Welle sagt. Er arbeitet für die Myanmar Peace Support Initiative (MPSI), die sich im Friedensprozess im Lande engagiert, und ist aktuell in der Unruheregion Kokang unterwegs.
Die Weigerung Peng Jiashengs, seine Kämpfer in die Grenztruppen unter direkter Kontrolle der birmanischen Armee eingliedern zu lassen, führte zum Konflikt: "2009 wurde Peng aus Kokang vertrieben, jetzt ist er zurück", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters den bekannten Südasien-Experten Bertil Lintner.
Auf Unterstützung aus China kann Peng Jiasheng offenbar nicht setzen. Aufrufe zur Solidarität mit den "Chinesen in Kokang, die von der Armee Myanmars abgeschlachtet werden"und ähnliche Posts in chinesischen sozialen Netzwerken wurden von der chinesischen Zensur sogleich unterbunden, wie die "New York Times" berichtet. Vergleiche mit der Ukraine und der Krim, wonach die chinesischen Rebellen in Myanmar von einer Rückkehr in die Heimat träumten, seien von Chinas Staatsmedien als "Unsinn oder interessengeleitet" kommentiert worden. Offiziell hat sich China zu dem Konflikt nur mit der Aufforderung zur Mäßigung aller Seiten geäußert. Es werde die Sicherheit auf seiner Seite der Grenze wahren, gleichzeitig die Flüchtlinge humanitär unterstützen.
Auswirkungen auf den Friedensprozess in Myanmar
Neben den Beziehungen zu China wirkt sich der neu ausgebrochene Konflikt mit den Kokang-Rebellen auch auf den Fortgang des Friedensprozesses in Myanmars aus. Kompliziert ist die Lage dadurch, dass es Gruppen wie die MNDAA gibt, die einerseits den bewaffneten Kampf mit der der Armee provozieren, aber gleichzeitig Mitglied im "National Ceasefire Coordination Team" sind. Dort wollen die bewaffneten ethnischen Gruppen ein nationales Waffenstillstandsabkommen mit der Regierung aushandeln. "Ein anhaltender Konflikt mit den Kokang-Rebellen könnte zu einer schweren Belastungsprobe für die Einheit der ethnischen Gruppen untereinander werden", sagt Schroeder.
Auch nach Ansicht des schwedischen Experten Bernt Berger vom Stockholmer Institut für Sicherheits- und Entwicklungspolitik hat der begrenzte Konflikt an der Grenze zu China das Potenzial, den fragilen Aussöhnungsprozess in Myanmar zu untergraben. Die MNDAA verfolge die Taktik, das Militär zu Operationen zu provozieren, die zivile Opfer bewirken und mit solchen Zahlen und Bildern einen "Informationskrieg" zu führen.
"Viel wird davon abhängen, inwieweit Gruppen wie die Unabhängigkeitsarmee der Kachin (KIA) in den Konflikt hineingezogen werden. Wenn es dazu nicht kommt, gibt es gute Chancen, dass die laufenden Verhandlungen zwischen den Rebellen-Gruppen und der Regierung weitergehen können", meint Berger. Die entscheidende Frage sei, inwieweit die Kokang-Führer in der Lage sind, Unzufriedenheit zu säen.
Der angestrebte nationale Waffenstillstand unter Präsident Thein Sein könnte damit in weite Ferne rücken und nicht mehr vor den Wahlen Ende 2015 stattfinden, sagt Schroeder. Damit hätte Präsident Thein Sein eines seiner politischen Ziele während seiner Amtszeit nicht erfüllen können.