Kühler Empfang für Bush in Wien
19. Juni 2006Bush ist bei den Europäern ein nicht besonders gern gesehener Gast. Schon vor seinem Besuch kam es zu Protestaktionen. Eine aktuelle Meinungsumfrage der Financial Times zeigt, dass 36 Prozent der Europäer die derzeitige Außenpolitik der USA für die weltweit größte Bedrohung des Weltfriedens halten. Der Iran und sein umstrittenes Atomprogramm folgen erst auf Platz Zwei mit 30 Prozent. Die Ablehnung des Irak-Krieges überschattet immer noch die Wiederannäherung zwischen den politischen Akteuren in der öffentlichen Wahrnehmung. So soll das Gipfeltreffen in Wien sich nach den Wünschen der EU und der USA um Energiepolitik, Welthandel und Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten konzentrieren.
Das von vielen Europäern als illegal kritisierte Gefangenenlager im US-Militärstützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba wird von der EU Delegation angesprochen werden, aber doch eher als lästige Pflicht. Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik, die zurzeit den EU-Vorsitz führt, sieht die Differenzen: "Es gibt Themen, bei denen wir deutliche Auffassungsunterschiede haben und auch das soll nicht unerwähnt bleiben." Offiziell fordern Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als EU-Ratspräsident und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso die Schließung des Lagers, in dem auch noch Europäer festgehalten werden, aber niemand rechnet ernsthaft mit Zugeständnissen auf Seiten von George W. Bush.
Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen
Routiniert und in wenigen Sätzen wird auch das leidige Thema CIA-Flüge in Europa abgehakt werden. Der Europarat und das Europäische Parlament führen ihre Untersuchungen über angeblich illegale Flüge zur Gefangenenverschleppung fort, während die EU-Mitgliedsstaaten teilweise mauern. Die USA haben die Herausgabe von Daten schlicht abgelehnt. Johannes Laitenberger, der Sprecher der EU-Kommission, flüchtet sich bei diesem Thema in Floskeln: "Selbstverständlich haben wir auch die Vereinigten Staaten mehrfach gebeten, bei den Ermittlungen zu helfen. Das ist unsere Position seit langer Zeit und sie wird so auch in Zukunft sein."
Im Entwurf des offiziellen Gipfeldokuments findet sich zu diesen Thema kein Wort, dafür geht es vor allem um bessere Wirtschaftsbeziehungen und die Sicherheit der Energieversorgung. Mit Blick auf den steigenden Energiebedarf in der Welt, vor allem ausgelöst durch China und Indien, wollen die EU und die USA eine gemeinsame Strategie zur Sicherung ihrer Energieversorgung verfolgen. Beide zusammen konsumieren rund 40 Prozent der weltweit erzeugten Energie, produzieren aber nur ein Viertel. Neben der Sicherung des Zugangs zu Öl und Gas wollen die EU und die USA bei der Entwicklung alternativer Energie und der Energieeinsparung stärker kooperieren.
Bush fordert "harte Schritte"
In der Sackgasse stecken wieder einmal die Verhandlungen über ein umfassendes Luftfahrtabkommen, dass den Airlines den Zugang zu den jeweiligen Binnenmärkten in den USA und Europa öffnen würde. Der amerikanische Kongress hat erneut Bedenken gegen die Beiteiligung europäischer Firmen an us-amerikanischen Fluglinien geltend gemacht, obwohl das Luftfahrtabkommen eigentlich schon fix und fertig ausgehandelt ist.
EU-Handelskommissar Peter Mandelson wird beim Gipfel in Wien versuchen, etwas Bewegung in die ebenfalls festgefahrenen Gespräche über die Doha-Runde der Welthandelsorganisation zu bringen. Wenn die USA bei ihren Agrarsubventionen zu größeren Senkungen bereit wären, würde auch die EU mit sich reden lassen, so Mandelson. George W. Bush wiederum fordert "harte Schnitte" von den Europäern. Die Zuschüsse für die Landwirtschaft in den entwickelten Staaten gelten im Moment als das größte Hindernis für einen Abschluss der Welthandelsrunde, die am 29. Juni in Genf mit einem Ministertreffen fortgesetzt werden soll.
Sicherheitsbedenken bei den USA
Einen Dauerbrenner wollen die Vertreter der Europäischen Union auf jeden Fall wieder ansprechen: Vor einem Jahr hatte US-Präsident George W. Bush auch den Bürgern aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten die Visa-freie Tourismusreise in die USA versprochen. Doch immer noch hat das amerikanische Heimatschutz-Ministerium Sicherheitsbedenken. Der US-Kongress überlegt sogar, das gesamte Programm zum Visa-freien Reisen (Visa-Waiver-Program) zu streichen. Dann müssten auch die Bürger aus den 23 Staaten, darunter Deutschland, wieder vor jeder Reise einen Sichtvermerk bei einer Botschaft beantragen.
Trotz vieler Probleme seien die Beziehungen und die Zusammenarbeit aber gut, meinen EU-Vertreter in Brüssel. Und auch der Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten, Stephen Hadley, weist unermüdlich darauf hin, dass man sich in Fragen der Außenpolitik so nahe sei, wie lange schon nicht mehr. Im Atomstreit mit dem Iran ziehen die USA und die EU an einem Strang, in Afghanistan ist man sich einig, dass Wiederaufbau und Terroristenjagd weitergehen müssen. Im Nahost-Friedensprozess will man gemeinsam die Hamas zur Anerkennung Israels und der bislang getroffenen Vereinbarungen zwingen. Auch der amerikanische Kurs zur Stabilisierung des Iraks wird von der EU im Prinzip unterstützt.
Nach außen hin wird Harmonie zur Schau getragen, eine echte vertragliche Bindung an die Europäische Union möchten die Amerikaner derzeit aber nicht eingehen. Die Beziehungen sind nur in gegenseitigen Absichtserklärungen aus den 1990er Jahren geregelt, ein echtes Kooperationsabkommen gibt es nicht und wird es wohl in absehbarer Zeit auch nicht geben, so Ursula Plassnik, die EU-Ratsvorsitzende: "Von Seiten der USA haben wir deutliche Signale bekommen, dass man einer weiteren Formalisierung der Beziehungen eher reserviert gegenüber steht."