Inoffizielle Ideenbörse
30. Januar 2013Mitten im Kalten Krieg, 1963, als Treffen von NATO-Staaten mit der klaren Ausrichtung auf den Ost-West-Konflikt konzipiert, durchlebte die Münchner Sicherheitskonferenz seither zahlreiche Veränderungen.
Nach dem Fall der Berliner Mauer öffnete sich das Forum zuerst den Staaten aus Mittel- und Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion, dann rückte auch Asien immer stärker in den Fokus der Münchner Debatten. Inzwischen spiegelt die Konferenz die Globalisierung der Welt und der Sicherheitspolitik wider.
Von Wehrkundetagung zum MSC
Neben aufstrebenden Mächten wie Indien, Brasilien und China sind vom 1. bis 3. Februar auch afrikanische Länder unter den fast 400 Delegierten aus mehr als 70 Staaten vertreten. Außerdem reisen längst nicht nur Politiker, sondern auch immer mehr Wirtschaftsführer und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen nach Bayern.
"Die Münchner Sicherheitskonferenz ist zu einem Trendbarometer zur Gestaltung des sicherheitspolitischen Wandels im 21. Jahrhundert geworden - die neben den klassischen "harten" Feldern der Sicherheitspolitik vermehrt auch "weiche" Themen wie den Klimawandel oder Cybersicherheit auf der Agenda hat", beschreibt der Vorsitzende der Konferenz, Wolfgang Ischinger (Bild oben), den Anspruch des Treffens.
Nichts verdeutlicht diesen Wandel besser als die Namen, die sich das Treffen seit seiner Gründung gegeben hat. Firmierte die Veranstaltung während des Kalten Krieges schlicht als Wehrkundetagung, so lautet ihre offizielle Abkürzung heute MSC für Munich Security Conference.
Bidens Rückkehr
Und trotz zahlreicher anderer internationaler Konferenzen mit breiter Aufstellung, besteht offenbar mehr denn je ein Bedarf an Austausch über Sicherheitspolitik. "Der Andrang ist in diesem Jahr besonders groß", betont Ischinger. "Über 90 Regierungsdelegationen werden nach München reisen." Prominentester Teilnehmer wird Ischinger zufolge US-Vizepräsident Joe Biden sein, der bereits 2009 nach München reiste und eine Rede zum Verhältnis zu Russland hielt. Erstmals an der Konferenz teilnehmen werden in diesem Jahr der brasilianische Außenminister und die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs. Als wichtigste Themen der Sicherheitskonferenz hat Ischinger dieses Jahr Mali und Syrien, sowie den Umgang mit Iran ausgemacht.
Kritikern, die die Tagung als nicht legitimiertes Entscheidungsforum von Politik und Rüstungsindustrie betrachten, entgegnet Ischinger sie wollten sich nicht mit der heutigen Realität der Veranstaltung beschäftigen: "Es ist doch nichts schöner, als ein altes Feindbild zu pflegen und veraltete Stereotypen zu bedienen. Tatsache ist: Die Konferenz befasst sich mit Abrüstung, Krieg- und Krisenverhütung und debattiert heute die brennenden Fragen der internationalen Politik gemeinsam mit Vertretern von NGO's wie Human Rights Watch oder Greenpeace und Friedensnobelpreisträgern."
Angstfreier Austausch
Diese Einschätzung teilt James Davis, Professor für Internationale Politik an der Universität St. Gallen, der seit 10 Jahren an der Tagung teilnimmt: "Die Konferenz bietet die einzigartige Möglichkeit die Gefahren der internationalen Sicherheit mit Vertretern aller Stakeholder-Staaten, internationaler Organisationen, sowie NGOs an einem Ort zu diskutieren. Als Wissenschaftler bietet sie mir einen sonst nicht möglichen Zugang zu Entscheidungsträgern aus aller Welt."
Zudem, so Davis, würden auf der Konferenz keine Entscheidungen gefällt. Ganz im Gegenteil, biete das Treffen den Teilnehmern die Gelegenheit neue Ansätze oder Thesen in nicht-offiziellem Rahmen zu diskutieren. "Regierungsvertreter können dort Ideen ausprobieren - Versuchsballons fliegen lassen - ohne ihr Gesicht zu verlieren, wenn sie nicht fliegen." Das Besondere an der Münchner Sicherheitskonferenz sei, betont Davis, dass dort Leute ins Gespräch kommen könnten, die sich sonst ausweichen würden. Wo sonst sei es denkbar, dass ein amerikanischer Senator sich beim Kaffee mit einem iranischen Regierungsmitglied unterhält?