Kampfansage gegen Extremisten im Staatsdienst
17. Februar 2023Rechtsextremisten in Bundeswehr-Kasernen, auf Polizei-Revieren oder in Gerichten? Ja, solche Fälle gibt es. Und sollten es auch nur vergleichsweise wenige sein, sie können das Vertrauen in den Rechtsstaat untergraben. Deshalb drängt die deutsche Innenministerin Nancy Faeser auf eine Änderung des Disziplinarrechts. Ziel ihrer Gesetzesinitiative: Extremisten sollen schneller ihren Job im Öffentlichen Dienst verlieren. Bislang dauern solche Disziplinarverfahren im Schnitt vier Jahre lang. Während dieser Zeit erhalten die Beamten ihre vollen Bezüge.
Gefahr für den Rechtsstaat und die Demokratie?
"Wir lassen nicht zu, dass unser demokratischer Rechtsstaat von innen heraus von Extremisten sabotiert wird", begründet die Sozialdemokratin (SPD) ihren Vorstoß. Wenn die Integrität des Staates beschädigt werde, sei dies besonders gefährlich für den Rechtsstaat und die Demokratie.
Nancy Faeser denkt dabei an Fälle, wie den inzwischen zu einer Gefängnisstrafe verurteilten ehemaligen Bundeswehr-Soldaten Franco A., mutmaßliche Umsturzpläne selbsternannter Reichsbürger oder den vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingeschätzten Richter Jens Maier. Beamte, die in Deutschland einen Eid auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung geschworen haben. Deshalb betont die Innenministerin: "Wer den Staat ablehnt, kann ihm nicht dienen. Daher muss jeder Extremismusfall klare Konsequenzen haben."
Richterinnen und Richter sind skeptisch
Wenn das Parlament Nancy Faesers Gesetzentwurf zustimmt, können Behörden mutmaßliche Verfassungsfeinde künftig per Verwaltungsakt selbst aus dem Dienst entfernen. Bislang müssen sie dafür zunächst vor Gericht klagen. Viele Fachleute versprechen sich allerdings wenig von der geplanten Änderung des Disziplinarrechts.
"Ob das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Ziel der Beschleunigung der Disziplinarverfahren tatsächlich erreicht werden kann, erscheint indes zweifelhaft", meint der Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen.
Betroffene können sich weiterhin juristisch wehren
So sieht es auch der Deutsche Beamtenbund (DBB), der die Interessen von rund 1,3 Millionen Mitgliedern vertritt. Wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält er sogar das Gegenteil für möglich. Denn Betroffene können sich – was in einem Rechtsstaat selbstverständlich ist – weiterhin juristisch gegen die Entfernung aus dem Dienst wehren. Das betont auch Nancy Faeser: "Völlig klar, daran wird nichts geändert. Verwaltungsgerichte können nach wie vor die Entscheidungen überprüfen." Und das wiederum bedeutet langwierige Verfahren.
Nancy Faeser: "Kein Generalverdacht"
Die Frage, ob ihr Gesetzentwurf eine Art Generalverdacht gegen den Öffentlichen Dienst sei, verneint Nancy Faeser entschieden: Das sei er gerade nicht, man wolle nur das Verfahren gegen mutmaßliche Verfassungsfeinde beschleunigen. Es gehe immer noch um die gleichen Prüfungsmaßstäbe, die hätten sich nicht verändert. "Und deswegen ist es auch kein Generalverdacht." Die Reform diene zudem dem Schutz "der weit überwiegenden Zahl der Beamtinnen und Beamten, die sich korrekt verhalten".
Beamte in Deutschland haben die Pflicht, sich durch ihr gesamtes Verhalten, also nicht nur während des Dienstes, sondern auch in ihrer Freizeit, zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Zudem sind sie verpflichtet, bei politischer Betätigung Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren.
Unterstützung erhält die deutsche Innenministerin von ihrem Amtskollegen Thomas Strobl aus Baden-Württemberg. In diesem Bundesland ist es schon seit 2008 möglich, so zu verfahren, wie es sich Nancy Faeser für die Bundesebene wünscht. Auf DW-Anfrage erklärt der Christdemokrat: "Von unseren Beamtinnen und Beamten erwarten wir zu Recht, dass sie sich aktiv für Freiheit, Demokratie und unseren Rechtsstaat einsetzen. Wo Rechtsextremisten am Werk sind, muss deshalb schnell und entschlossen gehandelt werden."
Vorbild Baden-Württemberg
Die Bundesinnenministerin orientiert sich mit ihrem Gesetzentwurf ausdrücklich an der Praxis in Baden-Württemberg. Die Regelungen hätten sich dort "seit über zehn Jahren bewährt". In welcher Hinsicht, bleibt indes offen. Denn wie viele Beamte und Beamtinnen bislang wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten aus dem Dienst entfernt wurden, konnte ein Sprecher von Innenminister Thomas Strobl nicht beantworten. Eine landesweite Statistik werde nicht geführt. Und er betont: "Beim Innenministerium gab es in den letzten Jahren keine Disziplinarverfahren wegen extremistischer Aktivitäten."
Wenige Disziplinarklagen
Solche Fakten dürften die Zweifel der Skeptiker bestärken. Der Deutsche Beamtenbund verweist in diesem Zusammenhang auf Zahlen aus dem Gesetzentwurf, den Nancy Faeser vorgelegt hat: Im Jahr 2021 gab es demnach auf Bundesebene 373 Disziplinarmaßnahmen. Das entsprach einem Anteil von 0,2 Prozent der rund 190.000 Staatsdiener und Dienerinnen. Die Anzahl der Disziplinarklagen im gleichen Zeitraum lag bei 25 Fällen oder 0,01 Prozent.
"Auch im Mehrjahresvergleich ist die Zahl der Disziplinarverfahren stabil auf einem niedrigen Niveau", heißt es im Gesetzentwurf. Und weiter steht im Text: "Nur in wenigen Fällen wird das Vertrauen in die pflichtgemäße Amtsausübung und in die Integrität des öffentlichen Dienstes so nachhaltig gestört, dass statusrelevante Maßnahmen auszusprechen sind."
Erfolglose Klage vor dem Bundesverfassungsgericht
Für Betroffene bedeutet das schlimmstenfalls, dass sie ihren Beamtenstatus verlieren oder ihre staatlichen Pensionsansprüche gestrichen werden. Mit solchen Konsequenzen müssen aber nicht nur verfassungsfeindliche Beamte und Beamtinnen rechnen. In Baden-Württemberg klagte ein unter anderem wegen Betrugsdelikten verurteilter Polizist gegen seine Entlassung aus dem Staatsdienst. Die Klage wurde in letzter Instanz vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen.
Deutscher Beamtenbund: "Botschaft des Misstrauens"
Der Deutsche Beamtenbund wirft der Innenministerin vor, eine "Botschaft des Misstrauens" sowohl an die Beschäftigten zu senden als auch an die Bürgerinnen und Bürger. Und der Deutsche Gewerkschaftsbund befürchtet, die Beamten und Beamtinnen könnten pauschal dem "Risiko einer Stigmatisierung" ausgesetzt werden.
Der Gesetzesentwurf muss nun im Bundestag beraten werden. Die Fraktion der Grünen hat bereits wissen lassen, dass sie den Entwurf der Bundesregierung begrüßt, bei dem Vorhaben jedoch noch "Nachschärfungsbedarf" sehe.