Konvent-Kandidat in Venezuela erschossen
30. Juli 2017Mehrere Angreifer seien in der Nacht in das Haus von José Félix Pineda in Ciudad Bolívar eingedrungen und hätten ihn erschossen, teilte die venezolanische Staatsanwaltschaft über Twitter mit. Sein Tod werde nun untersucht. Der 39-jährige Anwalt war als Kandidat für die verfassunggebende Versammlung angetreten, die an diesem Sonntag gewählt wird. Pineda galt als Anhänger der regierenden Sozialisten. Zum möglichen Tatmotiv machte die Staatsanwaltschaft keine Angaben.
Venezolanische Medien berichten derweil von mindestens zwei weiteren Menschen, die bei Protesten getötet worden seien. Im Morgengrauen gingen Soldaten außerdem mit Gewalt gegen Regierungsgegner vor, die Barrikaden im Westen von Caracas errichtet hatten. Mehr als 230.000 Sicherheitskräfte sind im Einsatz.
Aufruf zum Boykott
Die Regierung hatte alle Protestaktionen gegen die Wahl verboten und Demonstranten mit mehrjährigen Haftstrafen gedroht. Die Opposition hatte bereits angekündigt, sich nicht an das Verbot halten zu wollen und ihre Anhänger dazu aufgerufen, die Abstimmung zu boykottieren.
Mehrere Oppositionsgruppen werfen Nicolas Maduro, dem sozialistischen Präsidenten des Landes, vor, er wolle die verfassunggebende Versammlung mit eigenen Anhängern besetzen, um sich "diktatorische Vollmachten" zu sichern. Sie sehen dahinter ein Manöver des wenig populären Staatschefs, mit dem er die für Ende 2018 vorgesehene Präsidentschaftswahl vermeiden will. Zudem beschuldigt ihn die Opposition, er strebe einen staatlichen Umbau nach dem Vorbild Kubas an.
Seit Monaten kämpfen Maduros Gegner für eine Amtsenthebung des Präsidenten, den sie auch für die schwere Wirtschaftskrise in dem südamerikanischen Land verantwortlich machen. Seit Beginn der Protestwelle Anfang April wurden bereits mehr als hundert Menschen getötet.
"Stimme für den Frieden"
Maduro wertete es indes als Erfolg, dass die Wahl trotz des erbitterten Widerstands seiner Gegner stattfinden kann. Er gebe seine "Stimme für den Frieden ab", sagte der Staatschef in einem Wahllokal der Hauptstadt Caracas. Begleitet wurde er von seiner Frau Cilia Flores, die sich um einen Sitz in dem Verfassungsgremium bewirbt. Der Präsident will mit der neuen Verfassung dazu beitragen, die schwere Krise in dem Land beizulegen.
Rund 19 Millionen Menschen sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Für 545 Plätze im Gremium stellen sich rund 5500 Kandidaten zur Wahl. Laut Umfragen des Instituts Datanálisis lehnen mehr als 70 Prozent der Venezolaner die verfassunggebende Versammlung ab, 80 Prozent sind demnach mit Maduros Amtsführung unzufrieden.
Auch international stoßen Maduros Verfassungspläne auf deutliche Kritik. Die USA, die Europäische Union sowie mehrere lateinamerikanische Staaten schlugen Alarm und warnten vor den Folgen für die Demokratie in dem ölreichen Land. Washington verhängte in dieser Woche Sanktionen gegen amtierende und ehemalige venezolanische Regierungsvertreter. Mehrere internationale Fluglinien, darunter Iberia, Delta und Air France, stellten ihre Flüge nach Venezuela vorerst ein.
Chaos in Politik und Wirtschaft
Auslöser der aktuellen Protestwelle war ein Versuch der sozialistischen Regierung im April, das Parlament auf juristischem Wege zu entmachten. Maduro regiert seit Jahren mit Hilfe von Sonderdekreten und Notstandsgesetzen an dem Abgeordnetenhaus vorbei. Dabei kann er sich bislang auf die Unterstützung der venezolanischen Armee verlassen. Auch wurden seitdem keine Regional- und Kommunalwahlen mehr durchgeführt, obwohl diese längst überfällig sind. Stattdessen ordnete Maduro im Mai die verfassunggebende Versammlung an.
Beobachter fürchten, dass die Situation im Land weiter eskalieren könnte. Viele Menschen sind wegen der Ausschreitungen geflüchtet. Allein in Kolumbien sollen sich bis zu 140.000 Venezolaner illegal aufhalten. Aus Furcht vor Engpässen horten viele Bürger Lebensmittelvorräte.
nin/jj (dpa, afp, rtr, kna)