Kapitol-Erstürmung: Hunderte Verdächtige noch frei
6. Januar 2023Zwei Jahre nach dem Angriff auf das amerikanische Kongressgebäude durch Anhänger des damaligen Präsidenten Donald Trump sucht die Polizei nach eigenen Angaben noch 350 weitere Verdächtige. "Unsere Arbeit ist noch lange nicht vorbei", erklärte US-Justizminister Merrick Garland mit Blick auf den Jahrestag am 6. Januar. Er sprach von einer der größten und komplexesten Untersuchungen in der US-Geschichte. Diejenigen, die für den "Angriff auf unsere Demokratie verantwortlich" seien, würden auch weiterhin zur Verantwortung gezogen, ergänzte Garland.
Die Bundespolizei FBI versucht nach seinen Worten weiter herauszufinden, wer am Vorabend des 6. Januar 2021 zwei Rohrbomben in Parteibüros in der Nähe des Kongresses deponiert hatte. Die Behörden erhöhten die Belohnung für Informationen über die Verantwortlichen von 100.000 Dollar auf 500.000 Dollar (472.000 Euro), da die Rohrbomben funktionsfähig gewesen seien und jemanden hätten töten können.
Zahllose gewaltbereite Trump-Anhänger hatten vor zwei Jahren das Kapitol gestürmt, um eine Bestätigung des Sieges des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl vom November 2020 zu verhindern. Trump hatte nach der Wahl wochenlang vielfach widerlegte Wahlbetrugsvorwürfe erhoben.
Am Mittag des folgenschweren 6. Januars rief der Republikaner seine Anhänger dazu auf, zum Kapitol in Washington zu marschieren und "auf Teufel komm raus" zu kämpfen. In den darauffolgenden Stunden wurden fünf Menschen getötet und viele verletzt. Der Sturm auf das Kapitol sorgte weltweit für Entsetzen und gilt als schwarzer Tag in der Geschichte der US-Demokratie.
Seitdem wurden Hunderte Angreifer durch die US-Bundespolizei strafrechtlich verfolgt. Dem Justizministerium zufolge bekannten sich 484 der insgesamt 950 Verdächtigen schuldig, Straftaten wie Angriffe auf Polizisten, Behinderung des Kongresses oder Vergehen wie den illegalen Zutritt zum Gebäude begangen zu haben. 351 von ihnen wurden verurteilt, von denen fast 200 Angeklagte Haftstrafen von bis zu zehn Jahren erhielten.
Untersuchungsausschuss empfiehlt Anklage gegen Trump
Auch ein Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses arbeitete den Angriff in den vergangenen Monaten auf. Kurz vor Weihnachten legte das Gremium seinen Abschlussbericht vor und sprach Trump darin maßgebliche Verantwortung für die Attacke zu. Der Ausschuss empfahl auch eine strafrechtliche Verfolgung Trumps in vier Anklagepunkten. Die Empfehlung ist allerdings rechtlich nicht bindend.
US-Präsident Biden will anlässlich des zweiten Jahrestages des Angriffs etliche Beamte der Polizei mit der Bürgermedaille ehren. Die zweithöchste zivile Auszeichnung der USA solle im Weißen Haus an Menschen verliehen werden, die einen "beispielhaften Beitrag" für die Demokratie geleistet und "in einem Moment der Gefahr" für das Land Mut und Selbstlosigkeit bewiesen hätten, erklärte ein Regierungsvertreter. Es sei das erste Mal, dass Biden die Bürgermedaille vergebe. Auch zwei Wahlhelferinnen sollen die Auszeichnung erhalten.
se/sti (afp, dpa, ap)