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"Kehrt um!" - Wenn Panik die Hilfe blockiert

Julian Küng
25. Dezember 2018

Nach dem Tsunami in Indonesien laufen die Bergungs- und Aufräumarbeiten auf Hochtouren. Doch es gibt viele Faktoren, die dies erschweren, wie Julian Küng bei seiner Ankunft im Katastrophengebiet feststellte.

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Zerstörung der Küstenregion in Banten zwischen Anyer und Labuhan
Bild: DW/J. Küng

Mit einem Zweig stochert Rahmat in einer Schlammpfütze, fischt einen durchtränkten Stoffschuh heraus. "Wir haben alles verloren", sagt der Junge verzweifelt, während seine drei Brüder durch die Trümmermassen waten, welche vor wenigen Tagen noch ihr zu Hause war.

Zerstörung der Küstenregion in Banten zwischen Anyer und Labuhan
Das blanke Entsetzen: Die Brüder Rahmat blicken auf die Trümmer ihres Hauses Bild: DW/J. Küng

Daneben schlägt Uju Sukarsi mit einer Machete Bambusstäbe ihres weggefluteten Strandrestaurants bei Seite. "Mein geliebtes Nudelrestaurant liegt in Trümmern", sagt die Mutter zweier Töchter verzweifelt. Nur zwei Schicksale inmitten von Tausenden in der Region Banten im Westen der Insel Java, welche auch drei Tage nach der verheerenden Flutwelle einer Post-Apokalypse gleicht.

Restaurantbesitzerin Uju Sukarsi
Die Existenzgrundlage verloren: Restaurantbesitzerin Uju SukarsiBild: DW/J. Küng

Regelmäßig fahren Ambulanzfahrzeuge mit Sirenen über die schmale Küstenstraße zwischen Sumur und Anyer, transportieren neu gefundene Opfer in Behandlungszentren. Mindestens 429 sind nach neuesten Angaben bei dem Tsunami ums Leben gekommen, rund 1500 wurden verletzt.

Alles läuft über die Küstenstraße

Die Küstenstraße sei derzeit eine drohende Todesfalle, sagt Komandant Rico Sirait am Dienstagabend (Ortszeit) der DW: "Nur etwa 10 schmale Sträßchen können bei einem erneuten Tsunami als Fluchtwege in die erhöhten Gebiete genutzt werden." Bei einer Wellengeschwindigkeit von 25 km/h ist die Flucht nur für schnelle Läufer zu schaffen. "Wir haben Mutter deshalb bereits in ein höher liegendes Dorf gebracht", sagen die Gebrüder Rahmat, während sie die Reste ihrer Existenz zusammenkehren, nur wenige Meter vom Meeresstrand entfernt.

Kommandant Rico Sirait
Muss die Hilfskonvois koordinieren: Kommandant Rico SiraitBild: DW/J. Küng

Angespannte Lage schafft Angst

Plötzlich bricht Panik aus. "Putar Bale! Putar Bale!", (Kehrt um! Kehrt um!) hört man aus vorbeifahrenden Autos schreien. Ein Soldat fuchtelt mit den Händen und befiehlt den Fahrern zu wenden. Fahrzeuge hupen, Bewohner springen auf Pickup-Ladeflächen, brausen in Richtung Norden um der drohenden Flutwelle zu entkommen.

Eine Stunde später dann die Entwarnung des Militärs: "Eine Falschmeldung!", beruhigt Militärkommandant Sirait am Stützpunkt. "Besser einmal zu viel als zu wenig", sagt ein Autofahrer, der mit Versorgungsgütern Richtung Sumur unterwegs war. Denn das Frühwarnsystem hatte am vergangenen Samstag kläglich versagt. Als die erste Flutwelle gegen die Küstenregion donnerte, war noch von keiner Tsunami-Warnung die Rede.

Zerstörung der Küstenregion in Banten zwischen Anyer und Labuhan
Die Versorgung ist mühsam, es gibt aber viele HelferBild: DW/J. Küng

Wichtige Minuten für die Hilfslieferungen verloren

"Ein Großteil des Verkehrs der Küstenstraße bringt Lebensmittel in die südlichen Flüchtlingslager. Aufgrund der Falschmeldung hat sich die Versorgung nun unnötig verzögert", sagt Kommandant Sirait über die Mammutaufgabe, die 16.000 Obdachlosen zu versorgen. Kisten mit Fertignudeln stapeln sich hinter ihm im Verteilungszentrum des Militärs. "14 Dörfer beliefern wir von hier aus mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln", sagt Soldat Wahyu, während wieder ein voll beladener Lastwagen Richtung Flüchtlingscamp davonbraust.