Gibt es den Königsweg aus der Schuldenkrise?
14. Juli 2011Ansatz Nummer eins: noch mehr Sparen
Bis 2013 will die griechische Regierung 30 Milliarden Euro im Staatshaushalt einsparen und ab 2014 die Stabilitätskriterien des Maastrichter Vertrages wieder erfüllen. Die griechische Regierung hat dafür Gehälter gekürzt oder gar gestrichen, öffentliche Investitionen zurückgefahren, das Rentenalter angehoben, den Kündigungsschutz gelockert, Unternehmen privatisiert und Steuern angehoben.
Ein gewaltiger Kraftakt. Der aber letztlich nicht ausreichen wird, glaubt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank: "Griechenland ist ja ein Land, wo in der Regel nicht der Tüchtige weiterkommt, sondern der mit den besten Kontakten zum politischen Establishment. Und das aufzubrechen, das ist das Entscheidende." Schnell wird das allerdings nicht gehen, fügt Krämer im Gespräch mit DW-WORLD.DE hinzu.
Und auch jüngste Berechnungen der EZB kommen zu dem Schluss: Griechenland wird, selbst wenn es konsequent spart, seine Schulden bis zum Jahr 2020 nur auf 127 Prozent des Bruttoinlandsproduktes drücken können.
Ansatz Nummer zwei: der Schuldenschnitt
Auf 40 Prozent ihrer Ansprüche sollten die Griechenland-Gläubiger verzichten, sagt Manfred Neumann vom Institut der Internationalen Wirtschaftspolitik an der Universität Bonn im Interview mit DW-WORLD.DE. Dies entspräche dem momentanen Wert griechischer Anleihen am Markt. Mit einem solchen Schuldenschnitt würde nicht nur der Staatshaushalt in der Zukunft entlastet, sagt Neumann, sondern auch signalisiert, dass derjenige, der Staatsschulden erwirbt, immer auch das Risiko mittragen muss. Langfristig wird es so sein, hofft Neumann, "dass man in allen Staaten vorsichtiger mit der Staatsschuld umgehen wird".
Das Problem dabei: Während einige Politiker, wie jüngst auch Finanzminister Wolfgang Schäuble, den Schuldenschnitt in Griechenland als Möglichkeit sehen, den Druck von den anderen angeschlagenen Ländern zu nehmen, möchte Jörg Krämer nicht ausschließen, dass genau das Gegenteil eintrifft: "Es könnte sein, dass Anleger befürchten, auch in anderen Ländern ihr Geld nicht mehr zurückzubekommen, und das würde dann die Krise in anderen Ländern anheizen."
Ansatz Nummer drei: Griechenland verlässt die Eurozone
Denkbar ist sogar, dass Griechenland noch andere Länder folgen: Portugal, Irland oder Italien beispielsweise. "Wir würden dadurch den Euro, der dann bliebe, stabiler haben als er ohnehin schon ist", sagt Neumann. Überhaupt könnten die ausgetretenen Länder zu einem späteren Zeitpunkt wieder zum Euro zurückkehren. Momentan aber sei der Euro für Griechenland oder Portugal eine "Fessel", gibt Neumann zu bedenken. Sie könnten wegen des teuren Euros nicht genügend produzieren und verkaufen.
Neumanns Kalkül ist einfach: Die frühere Landeswährung Drachme ließe sich abwerten, das Land wäre wieder konkurrenzfähiger, könnte mehr verkaufen. Momentan haben mehr als 16 Prozent der Griechen keine Arbeit. Weil aber mit der Drachme mehr verkauft würde, bekämen die Griechen wieder Arbeit und es gäbe wieder mehr Steuereinnahmen.
Krämer findet, dass Italien und insbesondere Griechenland nie zur Eurozone hätten beitreten dürfen, weil sie die Maastricht-Kriterien damals nicht erfüllten. Doch diese Option sei mittlerweile verspielt. "Der Weg zu einer Währungsunion ohne Griechenland, der Übergang dahin würde vermutlich ökonomisches Chaos anrichten." Sobald die Griechen erführen, dass die Drachme wieder eingeführt wird, würde es einen Ansturm auf die Banken geben, um der erwarteten Abwertung der Drachme zu entgehen. "Kein Bankensystem der Welt", warnt Krämer, "könnte das überleben."
Ansatz vier: Die Euro-Länder geben gemeinsame Anleihen heraus
Bislang gibt jeder Staat seine eigenen Anleihen aus - und zahlt dafür die geforderten Marktzinsen. Die sind bei den kriselnden Euro-Ländern besonders hoch. Griechenland beispielsweise kann überhaupt keine Anleihen mehr am Markt platzieren, weil die Zinsen unbezahlbar sind. Das verschärft die Krise weiter.
Um sich aus diesem Dilemma zu befreien, sieht Währungsfachmann Christoph Zwermann von Zwermann Financial nur eine Chance: Anleihen, die die Euro-Länder gemeinsam ausgeben. Es entstünde dann ein gemeinsamer Anleihe-Markt und die Zinsen, zu denen sich die Euro-Staaten verschulden, wären für alle die gleichen, sagte Zwermann bei DW-TV: Deutschland müsste dann beispielsweise für seine Anleihen mit einer zehnjährigen Laufzeit nicht mehr 3,5 Prozent zahlen wie momentan, sondern vielleicht fünf. "Das wäre dann aber auch der Preis", sagt Zwermann. Die Kosten wären absehbar, ständige Rettungspakete könnte sich die EU ersparen. Spekulationen gegen einzelne Länder würden sich erübrigen.
Kurzfristig, so glaubt auch Krämer von der Commerzbank, könnten solche Eurobonds die Währungsunion tatsächlich stabilisieren: "Aber ich warne: Ich habe Fragezeichen dahinter, ob eine gemeinsame Anleihe sehr, sehr langfristig stabil ist." Krämer glaubt, dass der Widerstand bei der Bevölkerung wächst, für die Schulden der Peripherieländer aufkommen zu müssen. "Und das würde die Glaubwürdigkeit einer solchen Anleihe bedrohen."
Letztlich sind Eurobonds für Krämer nur ein letzter verzweifelter Versuch, die Krise unter Kontrolle zu bringen. Ein Königsweg sind auch sie nicht.
Autorin: Jutta Wasserrab
Redaktion: Rolf Wenkel