Athen ist am Zug
20. Juni 2011Die Euro-Finanzminister haben sich am Montag (20.06.2011) in Luxemburg zwar grundsätzlich dafür ausgesprochen, Griechenland die nächste Tranche von zwölf Milliarden Euro aus dem bestehenden Hilfsprogramm zu überweisen. Aber zuvor muss das griechische Parlament dem Spar- und Privatisierungsprogramm zustimmen. "Man kann Griechenland diese Entscheidung nicht ersparen", meinte Deutschlands Kassenwart Wolfgang Schäuble.
Ob der konservative griechische Oppositionsführer Antonis Samaras mitmacht, ist aber noch keineswegs sicher. Seine Parteifreunde aus den Euro-Ländern sind gerade dabei, ihn entsprechend zu bearbeiten. Sollte es keine parlamentarische Mehrheit geben, dann will sich Eurogruppen-Präsident Jean-Claude Juncker die Folgen gar nicht erst ausmalen. "Wenn nicht…, wenn nicht…", sagt Juncker, haut auf den Tisch und lässt die Frage offen.
Müdigkeit auf beiden Seiten
In dem Fall würde wohl kein weiteres Geld nach Athen fließen und Griechenland wäre bereits im Juli pleite. Für die EU wäre das ein Horrorszenario, auf das sie eigentlich nicht vorbereitet ist. EU-Währungskommissar Olli Rehn kann auch durchaus das Unverständnis, ja die Wut vieler Menschen in Europa nachempfinden. "Die Zeiten sind schwierig. Die Reformmüdigkeit ist auf den Straßen Athens, Madrids und anderswo zu sehen, ebenso die Unterstützungsmüdigkeit in einigen Mitgliedsstaaten." Gefragt seien jetzt "Brückenbauen und die Standhaftigkeit, auf Reformkurs zu bleiben".
Deutsche Arbeitsplätze, deutscher Wohlstand
Sollte also alles erstmal glatt laufen, wird die nächste Tranche ausgezahlt. Die Euro-Länder arbeiten aber bereits auf ein neues Griechenland-Paket hin. Inzwischen ist klar, dass sich auch private Gläubiger daran beteiligen sollen, allerdings nur freiwillig. Die Verhandlungen bewegten sich auf einem "schmalen Grat", räumt Schäuble ein. "Auf der einen Seite muss es freiwillig sein, auf der anderen Seite muss es natürlich auch zu einem Ergebnis führen." Wie man Banken dazu bewegt, freiwillig auf einen Teil ihrer Einnahmen zu verzichten, ist noch offen.
In die Diskussion um den Sinn immer neuer Hilfsmaßnahmen schaltete sich unterdessen auch Außenminister Guido Westerwelle ein, der ebenfalls in Luxemburg war. "Deutschland hängt mit dem gesamten Wohlstand von der europäischen Wirtschaft ab. Und deswegen ist die Stabilisierung unserer gemeinsamen Währung ein Vorhaben, das auch und gerade deutsche Arbeitsplätze und deutschen Wohlstand schützt."
Ein europäischer Finanzminister? Erst später
Viele in der EU sagen, die Schuldenprobleme Griechenlands und anderer Staaten hätten nur ein Grundproblem der Gemeinschaftswährung aufgedeckt, das früher oder später sowieso aufgetreten wäre: Die Wirtschafts- und Haushaltsdaten der Euro-Länder müssten viel mehr aufeinander abgestimmt werden. Belgiens Finanzminister Didier Reynders würde aber noch weiter gehen. "Ich will Euro-Anleihen, ich will ein europäisches Finanzministerium, vielleicht einen europäischen Finanzminister." Aber das stehe nicht jetzt an, vielleicht später, sagt Reynders und lacht. Im Moment sind die Regierungen so mit dem Löschen akuter Brände beschäftigt, dass alle diese weiteren Überlegungen aufgeschoben werden müssen.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Marko Langer