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Kenias erfolgloser Kampf gegen den Terror

Philipp Sandner, Mitarbeit A. Kiti, I. Mugabi7. April 2015

Nach dem Massaker in Garissa fordern Studenten in Kenia mehr Sicherheit an den Unis. Die Regierung bombardiert Stellungen der Al-Shabaab-Miliz - aber Beobachter glauben nicht, dass das die Terroristen stoppen kann.

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Kenia Studenten trauern um Garissa-Kommilitonen 07.04.2015
Bild: picture-alliance/AP/Ben Curtis

Isaac Pop Bushen, Peter Masinde, Doreen Gakii, Ruth Esiromo - die Liste der Opfer ist lang. Im Netz fordern User weltweit unter den Hashtags #147NotJustANumber und #TheyHaveNames, dass die Toten von Garissa nicht vergessen werden. Mehr als 140 Menschen haben den Überfall der Al-Shabaab-Miliz auf die Universität im Osten des Landes nicht überlebt, viele wurden von den Islamisten brutal hingerichtet, weil sie nicht aus dem Koran zitieren konnten. In der Hauptstadt Nairobi gingen am Dienstag einige hundert Studenten auf die Straße, um der Opfer zu gedenken. In die Trauer mischt sich zunehmend Wut.

Und die gilt vor allem der kenianischen Regierung. Sie tue nicht genug, um den Terror zu bekämpfen, sagen die Demonstranten. "Wir wollen Frieden, wir wollen sicher sein an unseren Universitäten und unsere Träume verwirklichen", sagt Studentin Monica Ahadi von der Technischen Universität Nairobi. "Der Präsident soll uns zuhören", fordert ihr Kommilitone Nelson Achola.

Präsident Uhuru Kenyatta hat inzwischen angeordnet, 10.000 weitere Rekruten in die Polizeiausbildung aufzunehmen. "Unser Land hat wegen fehlender Sicherheitskräfte unnötig gelitten. Ich werde die Nation nicht warten lassen", so Kenyatta. Er wolle Al-Shabaab mit aller Härte bekämpfen. Zwei Luftschläge ließ Kenia bereits am Montag auf Stellungen der Islamisten in Somalia fliegen. Seit 2011 kämpfen kenianische Truppen dort - inzwischen als Teil einer internationalen Militärmission zur Befriedung des Bürgerkriegslandes. Doch gerade für diese militärische Präsenz will sich Al-Shabaab an Kenia rächen. Im September 2013 griffen die Islamisten das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi an, mehr als 60 Menschen wurden getötet.

Kenia Studenten Demo in Nairobi
Mehr als eine Zahl: Studenten demonstrieren in NairobiBild: AFP/Getty Images/S. Maina

Die falschen Strategien

Seitdem habe Kenia viele Schritte zur Terrorbekämpfung eingeleitet, sagt Tim Glawion, der für das Hamburger GIGA-Institut zu Somalia forscht. "Es sind aber nicht unbedingt die richtigen Schritte." Nach jedem großen Anschlag reagiere Kenia mit einer Ausweitung der Kämpfe in Somalia, um die Miliz auf ihrem Heimterritorium zu besiegen. "Das hat weder nach Westgate noch nach all den anderen Angriffen funktioniert. Auch jetzt besteht wenig Hoffnung", so Glawion.

Zwar hat die internationale Allianz gegen Al-Shabaab in Somalia in den letzten Jahren militärische Erfolge gefeiert, aber die Gefahr von Anschlägen in der Region ist nicht gebannt. Je mehr Al-Shabaab in Somalia in die Defensive gerät, so scheint es, desto aggressiver gehen die Islamisten gerade in Kenia vor. In Videobotschaften forderten sie das Nachbarland mehrfach dazu auf, den Militäreinsatz zu beenden. "Kenia befindet sich in einer Zwickmühle", sagt Tim Glawion. Mit dem Einmarsch 2011 und der Errichtung einer Pufferzone auf somalischem Boden habe man Anschläge verhindern wollen. Das Gegenteil sei eingetreten: "Alle kenianisch-somalischen Al-Shabaab-Kämpfer sind nach Kenia zurückgekehrt und haben die bestehenden Gruppen dort verstärkt." Ein Abzug der Truppen aber sei auch keine Option, denn dann würde die Miliz als Sieger dastehen.

Kenia Nairobi Gedenken Westgate 2014
Das Westgate-Einkaufszentrum ein Jahr nach dem AnschlagBild: Simon Maina/AFP/Getty Images

Das wahre Problem: Marginalisierung

Manche Politiker in Kenia bemühen bereits ein bewährtes Feindbild. Vertreter der Grenzbezirke zu Somalia zeigen mit dem Finger auf die Flüchtlingslager, die Kriegsflüchtlinge aus Somalia aufnehmen. Wie die kenianische Tageszeitung "Daily Nation" am Montag berichtete, forderten etwa die Gouverneure der Bezirke Mandera, Wajir und Garissa die Schließung des weltweit größten Flüchtlingslagers Dadaab. Die Islamisten würden dieses und andere Camps als Zentren für die Ausbildung und Koordination benutzen. Ein Sprecher des Innenministers bestätigte, man wolle die Zahl der Flüchtlinge in den Camps reduzieren. Bereits nach dem Westgate-Anschlag 2013 hatten Kenia und Somalia eine Vereinbarung über die schrittweise Rückführung von Flüchtlingen getroffen.

"Überall in unseren Gemeinden gibt es Leute, die mit Al-Shabaab sympathisieren und kollaborieren - wir werden sie alle noch im nächsten Monat ausfindig machen", drohte jetzt Parlamentarier Aden Duala aus Garissa. Mindestens 14 Terrorverdächtige haben die Sicherheitsbehörden nach Informationen von DW-Korrespondent Alfred Kiti in den vergangenen Tagen festgenommen - sie sollen den Attentätern in Garrisa geholfen haben.

Flüchtlingslager Dadaab Kenia
Das Dadaab-Flüchtlingslager im Bezirk GarissaBild: AP

Kenia müsse zugleich die Ursache des Terrorproblems angehen, sagt Tim Glawion vom GIGA. "Das Problem ist vielmehr, dass die Peripherien gegenüber dem Zentrum - Nairobi - vernachlässigt werden", so Glawion. Kenias Norden und Osten, das Grenzgebiet, müsse politisch und ökonomisch stärker integriert werden - und dazu gehöre auch die somalische Bevölkerung. Solange die sich nicht als Teil der Gesellschaft fühle, hätten Gruppen wie Al-Shabaab Zulauf.