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Vollgas im Kernfusionsreaktor Wendelstein

Brigitte Osterath
25. August 2017

Bis die Kernfusion kommt, wird es noch viele Jahre dauern. Aber das Greifswalder Kernfusionsexperiment heizt jetzt zumindest schon mal sein Plasma hoch: auf fusionsfreudige 70 Millionen Grad.

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Wendelstein - Forschungsreaktor 7-X
Bild: picture-alliance/dpa

18 Monate lang stand Wendelstein 7-X still: Wissenschaftler haben das Kernfusionsexperiment umgebaut. Es hat einen Hitzeschild, eine leistungsfähigere Heizung und neue Messinstrumente bekommen. Bald, Anfang September, sollen die Experimente wieder beginnen - und dann mit "Vollgas", wie Thomas Klinger, Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik es ausdrückt.

In den kommenden Monaten wollen die Forscher im Reaktor Plasmen mit 8 Megawatt Heizleistung - doppelt so viel wie bisher - erzeugen. Das Plasma soll zehn Sekunden lang stabil bleiben und 70 Millionen Grad Celsius heiß werden. Bei dieser Temperatur könnten Kernfusionen durchaus stattfinden - wenn denn Fusionsbrennstoff vorhanden wäre. Das allerdings ist jetzt und auch künftig nicht geplant. Wendelstein 7-X ist und bleibt ein Experiment und wird keinen Strom erzeugen. Das Plasma wird lediglich über die Mikrowellenheizung erzeugt. 

Kohlenstoffplatten für Kernfusionsexperiment Wendelstein
Etwa 8500 solcher Kohlenstoffplatten haben die Forscher installiertBild: IPP/Mathias Müller

Pimp my fusion reactor

70 Millionen Grad Celsius ist wirklich unvorstellbar heiß. Damit das Plasmagefäß das zehn Sekunden lang übersteht, wurde seine gekrümmte Innenwand mit einem Hitzeschild ausgerüstet. Etwa 8500 Graphitkacheln haben die Forscher jetzt montiert. Auch hat die Anlage einen Divertor verpasst bekommen, spezielle Prallplatten aus Graphit.

Sie fangen Energie und Teilchen am Rand des Plasmarings ab - dort, wo sie mit voller Wucht auf die Gefäßwand prallen. An dieser Stelle erreichen die aus dem Reaktor kommenden Gase immerhin noch Temperaturen von etwa 3000 Grad Celsius. Haltbare Materialien für einen so heißen Dauerbetrieb zu finden ist eine riesige Herausforderung für die Ingenieure. 

Für die jetzt anstehende Versuchsreihe haben sich bereits etwa 100 Forscher aus dem Ausland - unter anderem aus den USA, Spanien, Ungarn, Großbritannien und Japan - angemeldet.

Nach dieser Versuchsreihe ist ein weiterer Umbau geplant. Die Graphitkacheln sollen laut Max-Planck-Instiut durch kohlenstofffaserverstärkte Kohlenstoff-Elemente ersetzt werden, die zusätzlich wassergekühlt sind. Damit hoffen die Forscher die Heizleistung um weitere 2 Megawatt zu erhöhen. Das Plasma soll dann für bis zu 30 Minuten andauern. Das allerdings soll erst in etwa drei Jahren möglich sein.

Erstes Betriebjahr erfolgreich

Die Kernfusion soll Wasserstoffkerne zu Helium verschmelzen und dadurch hohe Mengen Energie erzeugen. Wendelstein 7-X am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald erprobt die Machbarkeit eines ganz bestimmten Reaktortyps, des Stellarators. Der Versuchsreaktor erzeugte im Dezember 2015 sein erstes Plasma - ein Heliumplasma, das eine Million Grad heiß war.

Ende November 2016 meldeten die Forscher, dass die erste Betriebsrunde ein voller Erfolg war: Die erzeugten Magnetfeldlinien trafen auf ein Hunderttausendstel genau, waren damit so präzise wie geplant. Der Reaktor erzeugte Wasserstoffplasmen von etwa sechs Sekunden Dauer.

Die Kernfusionsforscher machen demnach langsam, aber sicher Fortschritte. Bis zum betriebsfähigen Kernfusionsreaktor, der uns mit sonnengleicher Energie versorgt, ist es allerdings noch ein ziemlich weiter Weg.