Kunst und KI – wird der Mensch überflüssig?
28. Januar 2023Zwei Ereignisse ließen zuletzt weltweit aufhorchen: Der australische Sänger Nick Cave zog in scharfen Worten gegen einen KI-generierten Song "im Stil von Nick Cave" zu Felde. "Bullshit", befand Cave, und es lohnt sich, seine Argumente anzuhören. Fast gleichzeitig reichten drei malende Künstlerinnen in den USA eine Sammelklage gegen mehrere KI-Unternehmen ein. Ihr Vorwurf an die maschinellen Bildgeneratoren: profaner Ideenklau!
Keine Frage: Künstliche Intelligenz hält Einzug in die Kunstwelt, mit welchen Folgen, bleibt abzuwarten. Künstlerinnen und Künstler bangen schon jetzt um ihre Urheberschaft. Der Kunstmarkt macht erste Geschäfte mit KI-Kunst. Computergenerierte Kunst füllt bereits Museumsausstellungen. Wie Künstliche Intelligenz den Ausdruck von Kreativität selbst verändern wird, fragen sich viele.
Es war die Roboterdame Ai-Da, die 2022 auf der Kunstbiennale in Venedig für Aufsehen sorgte. Als erste humanoide Roboterkünstlerin der Welt zeichnete und malte sie - mithilfe künstlicher Intelligenz. Kameras in ihren Augen scannen die Umgebung. Algorithmen verarbeiten die Informationen und lassen den Roboterarm Porträts von Menschen zeichnen. Ai-Das Schöpfer, der Brite Aiden Miller, hat sie mit einem Team aus Informatikern, Robotik-Experten und Designern entwickelt. Jedes von Al-Das Werken ist einzigartig - aber auch kreativ?
Wenn die Roboter kommen
"Hello, Robot" hat das Vitra Design Museum bei Basel seine aktuelle Ausstellung genannt. Ihr Thema ist das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine. "Was Menschen an Robotik und Künstlicher Intelligenz grundsätzlich interessiert", glaubt Kuratorin Amelie Klein, " ist die ganz alte menschliche Sehnsucht, Gott zu spielen." In ihrer Schau steht auch ein Roboter, der Manifeste schreibt. "Dieser Roboter ist dumm wie Brot. Der kann drei Sprachen, Vokabeln, Grammatik, Syntax, aber der versteht nicht, was er schreibt", so Klein zur Deutschen Welle.
Auch beim Film spielt der Traum von einem künstlichen Wesen eine tragende Rolle, getrieben von der Faszination und Furcht vor Robotern, Androiden und künstlicher Intelligenz. Science Fiction-Filme, von "Metropolis" über "Blade Runner" bis hin zu "Matrix", sind dafür gute Beispiele.
Doch der Grat zwischen Künstlicher Intelligenz und menschlicher Kreativität ist schmal: Knacken Maschinen am Ende eines der letzten Mysterien unserer technisierten Welt - die Fähigkeit, Emotionen zu empfinden und sie in Kunst umzusetzen? "Die Maschine kann keine Emotionen empfinden", sagt Matteo Kries, Direktor des Vitra Design Museums. Dies werde sich absehbar auch nicht ändern.
Davon ist auch der australische Sänger Nick Cave überzeugt. Ein Fan hatte ihn mit einem KI-generierten Song "im Stil von Nick Cave" konfrontiert. Der Song ohne Titel besteht aus drei Strophen. Im Refrain heißt es übersetzt: "Ich bin der Sünder, ich bin der Heilige. Ich bin die Dunkelheit, ich bin das Licht. Ich bin der Jäger, ich bin die Beute. Ich bin der Teufel, ich bin der Erlöser." Cave reagierte harsch: KI könne vielleicht eine Rede oder eine Predigt verfassen, nicht aber einen "echten" Song. Seine Lieder entstünden aus Leid, aus dem "komplexen, inneren menschlichen Kampf hinter kreativer Schöpfung". Das habe KI nicht zu bieten: "Algorithmen fühlen nicht, Daten leiden nicht", so Cave auf seiner Website.
Wenn Maschinen Kunst machen
Als 2016 in den Niederlanden ein brandneuer Rembrandt auf der Bildfläche erschien, kam dieser aus dem Rechner: gemalt "im Stil des niederländischen Meisters", erschaffen mit KI, gefüttert mit Daten aus 346 "echten" Rembrandt-Gemälden, errechnet von unzähligen Algorithmen, die ein Team aus Programmierern, Werbern, Wissenschaftlern der Technischen Uni Delft und KI-Experten von Microsoft der KI beigebracht hatten.
Was KI-Programme wie "Midjourney", "Dall-E" und "Stable Diffusion" im Bereich Bilder können, das leistet die von Open AI entwickelte künstliche Intelligenz "ChatGPT" bei Text-Inhalten: Sie führt Gespräche, beantwortet Fragen und verfasst auf Kommando Texte unterschiedlichster Art. Lehrkräfte an Schulen und Universitäten berichten, dass auch Lernende die Software zunehmend einsetzen.
Schon 2018 erzielte ein KI-generiertes Kunstwerk erstmals einen respektablen Verkaufserfolg: Das Gemälde "Edmond De Belamy", gemalt von einem Algorithmus, der zuvor mit 15.000 Gemälden aus verschiedenen Epochen gefüttert worden war, wurde beim New Yorker Auktionshaus Christie's versteigert - für 433.000 US-Dollar.
Das französische Kreativkollektiv Obvious lieferte einen erfundenen Stammbaum der Familie De Belamy, einen goldenen Rahmen - und statt der Künstlersignatur die algorithmische Formel.
Wer ist Urheber bei KI-Kunst?
Wer aber hat Anspruch auf ein Werk, das eine Maschine generiert, die zuvor mit Millionen von - urheberrechtlich geschützten - Bildern und Texten trainiert worden ist? Von wem stammt die kreative Schöpfung, die einzigartige Geistesleistung? Wer ist Urheber? Die KI? Die Programmierer? Warum nicht Picasso, Rembrandt, Van Gogh und Co, die Kunstschaffenden und Schreibenden, deren Werke die Daten für die Maschine geliefert haben?
Matteo Kries, Direktor des Vitra Design Museums, glaubt nicht, dass Künstliche Intelligenz den emotionalen Aspekt von Kunst und Kreativität irgendwann ersetzen kann. Vinzent Britz, Art Director, Motion Designer und Dozent an der Universität der Künste Berlin, vergleicht die aktuelle Lage allerdings mit dem Übergang von der klassischen Malerei zur Fotografie: "Da gab es auch Gegenwehr, da wurde gesagt, das ist keine Kunst, das ist ein Foto, das ist ein Plagiat." Dann habe sich die Fotografie als Kunstform etabliert. "Und ich glaube, ähnlich wird das jetzt mit der Künstlichen Intelligenz sein", so Britz im DW-Gespräch.
Unterdessen haben in den USA die drei Künstlerinnen Sarah Andersen, Kelly McKernan und Karla Ortiz eine Sammelklage gegen "Stability AI", "Midjourney" und die Kunstplattform "Deviant Art" eingereicht. Die Klägerinnen verlangen Schadenersatz und eine "einstweilige Verfügung zur Verhinderung künftiger Schäden". Auf seiner Website schreibt ihr Anwalt Matthew Butterick, die Klage sei ein weiterer Schritt, "um KI für alle fair und ethisch vertretbar zu machen". Bis dahin, so scheint es, ist es noch ein weiter Weg.