Kirche erhöht Druck auf Daniel Ortega
24. Juli 2018Seinen Rücktritt und vorgezogene Wahlen in dem krisengebeutelten Land lehnt Nicaraguas Präsident Daniel Ortega weiter ab - trotz anhaltender Massendemonstrationen von Regierungsgegnern. In einer Stellungnahme stellte sich der lateinamerikanische Bischofsrat CELAM nun hinter die nicaraguanische Kirche und drückte seine "Nähe und Solidarität" aus. Weiter rief der Rat für Sonntag Gläubige in ganz Lateinamerika zum Gebet für den Frieden in Nicaragua auf.
Die Solidaritätsbekundung der lateinamerikanischen Bischöfe wird in Nicaragua als Bestärkung empfunden, als klare Botschaft der Ablehnung von Gewalt und Unterdrückung an die Adresse Ortegas. Nach Angaben der Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH sind in dem zentralamerikanischen Land seit April 2018 mindestens 277 Menschen bei Protesten ums Leben gekommen.
Für Malte Reshöft von der lateinamerikanischen Sektion des bischöflichen Hilfswerkes Misereor ist die Geste eines lateinamerikaweiten Gebetes von großer Bedeutung: "Es ist gut, dass die Kirche diese Initiative ergriffen hat, um die Aufmerksamkeit aller lateinamerikanischen Katholiken und nicht-katholischen Menschen auf diese Vorgänge zu richten. Die Kirchen spielen in vielen Ländern eine wichtige Rolle bei Friedensverhandlungen, wie das Beispiel Kolumbien zeigt".
"Die gemeinsame Stellungnahme aller Bischöfe und Bischofskonferenzen sowie der Aufruf zum Gebet sind äußerst wichtig. Es ist ein starkes Signal sowohl für Gläubige als auch Nicht-Gläubige", sagt die Theologin Margit Eckolt. Sie ist Professorin am Institut für katholische Theologie an der Universität Osnabrück und Präsidentin des Stipendienwerks Lateinamerika-Deutschland ICALA.
Eckolt betont, dass "die lateinamerikanische Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil einen gemeinsamen Weg der Evangelisierung gefunden hat, der das Eintreten für die Leidenden beinhaltet. In diesem Auftrag für die Belange der Armen liegt auch die Verpflichtung zum Frieden".
Mediator im Dialog
Mit Taten und Gebeten versucht die nicaraguanische Kirche die Gewalt der Regierung und der paramilitärischen Gruppen zu stoppen. Die Bischöfe hatten am 16. Mai einen runden Tisch des nationalen Dialogs zwischen Regierung und Oppositionskräften einberufen, um einen Ausweg aus der Krise zu suchen. Die Gespräche sind seither mehrfach unterbrochen worden.
Die nicaraguanische Kirche ist dabei selbst zum Ziel von Angriffen geworden. Als Reaktion auf Kritik aus der Kirche wurden Priester und Bischöfe von Regierungsanhängern verprügelt, Kirchen und Gemeinden wurden angegriffen. Präsident Daniel Ortega bezeichnet die Bischöfe als "Putschisten".
Während ein Teil der Kirche sich auf die Seite der nicaraguanischen Revolution von 1979 gestellt und offen die Regierung der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN) unterstützt hatte, verlor Daniel Ortega seit seinem Amtsantritt 2007 immer mehr Rückhalt. Die Verurteilung der brutalen Repression im Rahmen der jüngsten Proteste seitens der Kirche zerschnitt endgültig die alten Bande.
Mahnendes Beispiel Oscar Romero
Durch ihr Eingreifen in den Konflikt setzt sich die Kirche großen Gefahren aus, darin sind sich Beobachter einig. "Da brauchen Sie nur in das Nachbarland El Salvador zu schauen und sich an das Schicksal von Erzbischof Oscar Romero zu erinnern. Er und andere haben ihr Engagement mit dem Leben bezahlt. Die Gefahr ist real, und es verdient umso mehr Respekt, wenn Kirchenleute eine feste und klare Position in dieser schwierigen Situation einnehmen", sagt Reshöft.
Die Solidarität des lateinamerikanischen Bischofsrates weckt Hoffnung, dass auch auf politischer Ebene in Lateinamerika die Ablehnung der Gewalt in Nicaragua zunimmt. Bisher halten sich gerade Bolivien und Venezuela eher bedeckt. "Obwohl die überwiegende Mehrheit der Regierungschefs in Lateinamerika katholisch ist, herrschen in der Politik andere Interessen vor", meint Reshöft. Es sei schwierig, dort zu einer gemeinsamen Haltung zu kommen. Die Einheit der Kirche könnte aber dabei helfen, den Dialog wieder in Gang zu bringen. "Wir hoffen, dass die Regierung Ortega doch noch den Weg des offenen und konstruktiven Dialogs einschlägt", sagt Reshöft.