Kittel gibt verletzt auf
19. Juli 2017Marcel Kittel kämpfte wie ein Löwe, biss auf die Zähne, doch die Schmerzen waren nicht zu ertragen: Auf der ersten Alpen-Etappe nach Serre Chevalier hat der deutsche Top-Sprinter die 104. Tour de France aufgegeben. Kittel war kurz nach dem Start des 183 Kilometer langen Teilstücks in einen Massensturz verwickelt gewesen, bei dem er sich Verletzungen zuzog, die eine Weiterfahrt unmöglich machten.
Der Ausstieg ist extrem bitter für den 29-Jährigen, der in diesem Jahr fünf Tour-Etappen gewonnen hatte und in der Sonderwertung um das Grüne Trikot des Punktbesten führte. Nur noch bis zum Sonntag hätte er durchhalten müssen. In Paris auf der Avenue des Champs Élysées noch einmal zu glänzen und dann auf dem Prachtboulevard als erster Deutscher seit 2001 in Grün das Podium zu besteigen, war Kittels Ziel gewesen. "Das wäre schon was sehr Besonderes", hatte er gesagt. Kittel kann sich diesen Traum nun nicht erfüllen. Damit bleibt Erik Zabel im Jahr 2001 der letzte Deutsche, der das "Maillot vert" gewonnen hat.
Sturz nach 20 Kilometern
Etwa 20 Kilometer hatte das Peloton auf dem Abschnitt zurückgelegt, der auch das große Finale um den Tour-Gesamtsieg einleitete, als eine Unachtsamkeit im Feld auch Kittel mit zu Boden riss. Der Wahl-Schweizer berappelte sich, und nachdem er einen kaputten Schuh ausgetauscht hatte, fand er zunächst auch wieder Anschluss. Sein Grünes Trikot wies zwar Drecksspuren auf und war auch an einigen Stellen zerrissen, aber zunächst schien alles nicht so dramatisch.
Auch als Kittel sich am rechten Arm einen Verband von Tour-Ärztin Florence Pommerie anlegen ließ, wirkte die Situation noch so, als könne er sich davon erholen. Doch Meter um Meter, Tritt um Tritt wurden die Schmerzen offenkundig stärker. Kittel stellte sein Rad ab und setzte sich tief enttäuscht in das Begleitfahrzeug seines Teams Quick-Step Floors.
Dabei war diese Tour bis dahin so märchenhaft für ihn gelaufen. Kittel siegte auf der zweiten Etappe nach Lüttich, die über viele Kilometer durch Deutschland führte. Er brach danach in Tränen aus, weil er überwältigt war von der Begeisterung an den Straßen zwischen Düsseldorf und der belgischen Grenze.
"Maillot vert" vor Augen
Seinen Siegeszug setzte Kittel fort in Troyes, Nuits-Saint-Georges, Bergerac und Pau. Der blonde Hüne steigerte sich von neun Tageserfolgen (2013, 2014 und 2016) vor der 104. Tour auf nunmehr 14 und übertraf damit den deutschen Etappenrekord von Erik Zabel. Zudem egalisierte Kittel in Pau mit seinem fünften Triumph die 40 Jahre alte Bestmarke von Dietrich Thurau für die meisten deutschen Etappensiege während einer Großen Schleife.
Und als Krönung dieser nahezu einmaligen Erfolgsserie hatte Kittel auch das "Maillot vert" vor Augen. Zwar hatte der Australier Michael Matthews auf den mittelschweren Etappen Punkt um Punkt aufgeholt und sich am Mittwoch sogar bis auf neun Zähler angenähert. Doch Kittels großes Plus war der prestigeträchtige Sprint in Paris, den er schon zweimal für sich entschieden hatte. "Bis Paris kann viel passieren", hatte er einschränkend immer wieder betont. Nun musste Kittel diese leidvolle Erfahrung selbst machen.
Greipel-Helfer Sieberg gibt ebenfalls auf
Zudem muss der deutsche Sprinter André Greipel auf den letzten Etappen auf seinen wichtigsten Helfer verzichten: Marcel Sieberg stieg vor dem Start wegen Darmproblemen aus, bei seiner achten Tour-Teilnahme kommt der 35-Jährige damit zum zweiten Mal nicht bis ins Ziel.
"Ich bin traurig, die Tour so kurz vor Paris aufgeben zu müssen", twitterte Sieberg. Seinem Kapitän Greipel, der bei der laufenden Rundfahrt dreimal Etappen-Dritter war, droht seine erste Tour ohne Tagessieg. Im Vorjahr hatte er das Finale in Paris gewonnen.
og/sn (sid)