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Stellvertreter-Ringkampf

Christina Bergmann12. Oktober 2012

In der Vizekandidaten-Debatte im US-Präsidentschaftswahlkampf wollte Amtsinhaber Joe Biden die schlechte Vorstellung seines Chefs ausbügeln, und Herausforderer Paul Ryan beweisen, dass er ihm Paroli bieten kann.

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TV-Debatte mit US-Vizepräsident Joe Biden, Moderatorin Martha Raddatz und Paul Ryan (Foto: REUTERS/Kevin Lamarque)
Bild: Reuters

Am Ende waren beide Seiten zufrieden. US-Präsident Obama erklärte, sein Vize Joe Biden sei "hervorragend" gewesen. "Ich könnte nicht stolzer auf ihn sein", sagte er nach der Debatte. Bidens "Leidenschaft, mit der er sich dafür einsetzt, dass es der Mittelklasse wirtschaftlich besser geht, ist deutlich geworden". Doch auch die Republikaner lobten den Auftritt ihres Kandidaten. John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses, erklärte: "Die Amerikaner stehen im November vor einer wichtigen Entscheidung und Paul Ryan hat eine klare Vision von einer florierenden Wirtschaft dargelegt, die Arbeitsplätze im Privatsektor schaffen wird und Chancen für jeden bietet."

Doch die Zuschauer der 90-minütigen Debatte, die in den Fernsehsendern aber auch via YouTube im Internet übertragen wurde, waren geteilter Meinung. Nach einer Umfrage des Fernsehsenders CNN sahen 48 Prozent der Befragten Paul Ryan als Sieger der Debatte, 44 Prozent Joe Biden. Die beiden diskutierten über innen- und außenpolitische Themen, vor dem Inhalt stand aber zunächst der Stil. Denn nach dem schlechten Auftritt von Präsident Obama in der ersten TV-Debatte gegen seinen Herausforderer Mitt Romney musste Vizepräsident Biden Boden gutmachen. Obama war abgelenkt und lustlos aufgetreten. Nach der Debatte rutschte er in den Meinungsumfragen ab und verlor seinen Vorsprung.

"Ein Haufen Quatsch"

Joe Biden zeigte sich im Center College in Danville im US-Bundesstaat Kentucky wesentlich aggressiver als sein Chef. Er unterbrach seinen Gegner Paul Ryan oft, widersprach ihm faktenreich und wirkte, als würde er den Schlagabtausch genießen. Paul Ryan, der zuvor nur bei seiner Nominierungsrede auf dem Parteitag in Tampa im Rampenlicht gestanden hatte, gab sich ebenfalls zahlenkundig und schlagfertig und verwies darauf, dass Biden wohl unter dem Druck stehe, die schlechte Vorstellung Obamas wieder gutzumachen.

Gleich die erste Frage der Moderatorin Martha Raddatz führte dazu, dass Biden dem Republikaner Ryan vorwarf, "einen Haufen Quatsch" zu erzählen. Es ging um die Reaktion der US-Regierung auf den Angriff der US-Vertretung in Bengasi, bei dem vier Amerikaner, darunter der Botschafter, ums Leben kamen. Mitglieder der US-Regierung hatten noch Tage nach dem Angriff erklärt, er stünde im Zusammenhang mit dem Protest gegen ein anti-muslimisches Video. Biden wiederum warf Präsidentschaftskandidat Romney vor, Kommentare zu dem Vorfall abgegeben zu haben, ohne die Fakten zu kennen oder die Entwicklung abzuwarten.

Anhänger Barack Obamas bei einer Wahlveranstaltung (Foto: dpa)
Anhänger Barack Obamas bei einer WahlveranstaltungBild: picture-alliance/dpa

Ryan warf der Obama-Regierung außenpolitisches Versagen in vielen Bereichen vor. Der Iran sei näher an einer Bombe als zu Beginn der Obama-Regierung, erklärte er. Am Vorgehen gegen Syrien kritisierte Ryan, dass dieses nicht unabhängig entschieden, sondern mit den Vereinten Nationen abgestimmt werde, bei denen Russland ein Veto-Recht hat. Einen militärischen Eingriff in einem anderen Land dürfe es aber nur geben, wenn es im "nationalen Interesse der Amerikaner" sei, betonte Ryan. Zum Abzug der US-Truppen aus Afghanistan kritisierte der Republikaner den Zeitplan der Regierung, während Biden darauf verwies, dass er mit den anderen Nationen abgestimmt sei und die afghanische Regierung nur dann Verantwortung übernehme, "wenn wir sagen, wir ziehen ab".

47 oder 100 Prozent?

Innenpolitisch ging der Schlagabtausch über die richtige Strategie, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. "Wir gehen in die falsche Richtung", erklärte Ryan und versprach, mit Steuersenkungen von 20 Prozent und einer Sparpolitik 12 Millionen Arbeitsplätze in den nächsten vier Jahren zu schaffen sowie das Haushaltsdefizit zu senken. Er nannte allerdings, ebenso wenig wie Mitt Romney, keine Details über Regierungsprogramme, die in dem Sparprogramm der Republikaner gestrichen werden sollen.

Anders als Obama verwies Biden mehrmals auf die Aussage Mitt Romneys, die für große Empörung im Land gesorgt hatte. Romney hatte erklärt, 47 Prozent der Bevölkerung würden sich auf Unterstützung vom Staat verlassen und um sie müsse er sich nicht kümmern. Ryan entgegnete darauf, Romney sein ein "guter Mensch", der über seine guten Taten nicht viel Worte verliere, sich aber um "100 Prozent" der Bevölkerung des Landes kümmern würde.

Mitt Romney bei einer Wahlkamfveranstaltung in Iowa (Foto: Reuters)
Mitt Romney bei einer Wahlkamfveranstaltung in IowaBild: Reuters

Unterschiede in allen Politikbereichen

Deutlich wurde der Unterschied zwischen beiden Vizepräsidenten beim Thema Abtreibung. Sowohl Biden als auch Ryan sind Katholiken, und erklärten, dass für sie menschliches Leben mit der Empfängnis beginne. Während Ryan erklärte, dass unter einem Präsidenten Romney Abtreibung nur im Falle von Vergewaltigung, Inzest und Gefahr für das Leben der Mutter möglich sei, erklärte Biden, er wolle seine Ansicht nicht anderen Menschen aufdrücken. "Ich glaube, dass wir kein Recht haben, Frauen zu sagen, was sie mit ihrem Körper machen sollen."

In seinem Schlusswort erklärte Biden, US-Präsident Obama und er wollten für "gleiche Bedingungen für alle" sorgen, damit jeder eine Chance habe, aus der Wirtschaftskrise herauszukommen. Ryan dagegen erklärte, die vergangenen vier Jahre seien "kein richtiger Aufschwung" gewesen, und die Amerikaner hätten "etwas besseres verdient". Beide Kandidaten schafften damit, was von ihnen erwartet wurde: Amtsinhaber Joe Biden, 69, konnte den Demokraten die Sorgenfalten vom Gesicht wischen und Paul Ryan, 42, der republikanische Abgeordnete aus Wisconsin, präsentierte sich als respektabler Kandidat.

Die Augen richten sich nun wieder auf die Hauptkontrahenten, die nächsten Dienstag (16.10.2012) und dann noch einmal am 22. Oktober aufeinander treffen werden. Dabei steht außer Frage, dass Präsident Obama seine Strategie ändern wird. Er werde, so erklärte ein Regierungsmitglied, das ungenannt bleiben wollte, "dafür sorgen, dass die Amerikaner verstehen, was Gouverneur Romney tatsächlich tun wird, sollte er Präsident werden". Romney war in der letzten Debatte in vielen Positionen in die politische Mitte gerückt und hatte Obama damit sichtlich überrascht.