Romney dominiert erstes Fernseh-Duell
4. Oktober 2012Die Erwartungen vor dieser Debatte hätten für Mitt Romney kaum höher sein können. Es sei die letzte Chance des Herausforderers von Präsident Barack Obama, so hatte es in den letzten Tagen geheißen, Boden gutzumachen im Rennen um die Präsidentschaft, vor allem angesichts der Fehler, die sich der ehemalige Gouverneur von Massachusetts in der letzten Zeit geleistet hatte. Beide Kandidaten befinden sich in einem Kopf-an-Kopf-Rennen, in einigen entscheidenden Bundesstaaten war Obama sogar davongezogen. Chris Christie, der Gouverneur von New Jersey, und einer derjenigen Republikaner, die vom Romney-Wahlkampfteam am letzten Sonntag in die TV-Talkshows geschickt wurden, hatte erklärt, Romney würde das Rennen mit dieser Debatte "auf den Kopf stellen".
Ganz so dramatisch wurde es an diesem Mittwochabend in der Universität von Denver bei der ersten von insgesamt drei Debatten dann nicht, aber der Herausforderer konnte Punkte sammeln. Nach einer ersten CNN-Umfrage erklärten 67 Prozent, Romney habe die Debatte gewonnen, nur 25 Prozent nannten Obama als Sieger. Mitt Romney wirkte angriffslustig, aber nicht unangenehm aggressiv, als er anderthalb Stunden mit dem Präsidenten über die Themen Wirtschaft, Gesundheitsreform und die Rolle der Regierung diskutierte. Romney warf Obama unter anderem vor, sich in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit mit der Gesundheitsreform beschäftigt zu haben, anstatt die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Der Präsident hatte anfangs Mühe, die Angriffe zu parieren, wirkte irritiert und brauchte offensichtlich einige Zeit, um sich warmzulaufen.
Zahlenverliebt
Die beiden stritten lange über Steuerpolitik und das Haushaltsdefizit, verloren sich dabei teilweise in Details und warfen dem jeweils anderen vor, mit falschen Zahlen zu argumentieren. Obama beispielsweise erklärte, Romneys Steuerplan würde "fünf Billionen Dollar Steuerkürzungen" bedeuten, und das sei ohne zusätzliche Einnahmen, also Schulden, nicht machbar. Romney dagegen stritt ab, dass er eine Kürzung in solcher Höhe plant, und betonte, "mein Plan wird das Haushaltsdefizit nicht erhöhen und ich plane auch nicht, die Steuerlast der Amerikaner mit hohen Einkommen zu verringern".
Beide wiederholten bekannte Argumente - Romney will die Gesundheits- und Bankenreform rückgängig machen, Obama bittet um mehr Zeit, um diese und andere Reformen durchzusetzen - und stellten die Präsidentschaftswahl als entscheidend für die Zukunft Amerikas dar, als Wahl zwischen zwei unterschiedlichen Auffassungen. "Privatwirtschaft und die Verantwortlichkeit des Einzelnen funktionieren immer am besten", erklärte der Republikaner Romney, gab aber zu, dass beispielsweise im Bankengeschäft eine gewisse staatliche Aufsicht notwendig sei. Obama dagegen erklärte, die Regierung müsse "den Menschen Gelegenheit geben, erfolgreich zu sein" und sie dabei unterstützen.
Keine bösen Worte
Von persönlichen Attacken sahen beide Kontrahenten ab, selbst mit Spitzen oder auch nur markanten - und im TV-Zeitalter zitierfähigen - Aussagen hielten sie sich zurück. Romney gratulierte Obama zunächst zu dessen 20. Hochzeitstag. Der Präsident hatte seiner im Publikum sitzenden Frau zum Jubiläum alles Gute gewünscht.
Das Romney-Team war mit der Darbietung ihres Kandidaten zufrieden: "Es war eine hervorragende Nacht für Mitt Romney", erklärte der republikanische Senator Rob Portman des Wechselwählerstaates Ohio dem Fernsehsender CNN. Er habe getan, was notwendig sei, um unabhängige Wähler zu erreichen.
Die Obama-Leute versuchten, die mittelmäßige Vorstellung ihres Kandidaten herunterzuspielen, und zeigten sich zufrieden. Wahlkampfmanager Jim Messina schrieb in einer Email, "der Präsident hat heute Nacht die Wähler direkt angesprochen und seine Vorstellung von einer Wirtschaft dargelegt, die von der Mittelklasse aus wächst." Er warf Romney vor, die Details seines Steuerkürzungsplanes ebensowenig zu erklären wie die Regeln, die er nach dem Einkassieren der Wall Street Reform oder der Gesundheitsreform einführen will. In der Tat brachte die Debatte hier keine neuen Erkenntnisse.
Meinungsforscher Stanley Greenberg erklärte, Romney habe seine Stellung unter unabhängigen Wählern, die eher den Republikanern nahe stehen, gefestigt. Greenberg hatte Wählerinnen und Wähler in Denver während und nach der Debatte befragt. Romney konnte in der Gruppe, die zu zwei Dritteln aus Frauen bestand, in vielen Bereichen punkten: Ihm wurde nach den 90 Minuten mehr Führungsqualität und mehr Wirtschaftskompetenz zugesprochen, aber auch in den Bereichen Energie- und Steuerpolitik konnte er dazugewinnen. Allerdings, so Greenberg: "Romney hat nicht einen einzigen, der vorher für Obama war, für sich gewinnen können."
Und so gilt wie im Sport: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Die nächste Debatte zwischen Obama und Romney findet am 16.Oktober in Hempstead im US-Bundesstaat New York statt. Dabei sollen auch die Zuschauer - und nicht wie in Denver nur der Moderator - Fragen stellen dürfen. Es geht um Innen- und Außenpolitik. Zuvor aber treffen Vizepräsident Joe Biden und Romneys Vizekandidat, der Abgeordnete Paul Ryan, am 11. Oktober in Danville, Kentucky, aufeinander.