Koelbl: "Viele Koreaner sind angekommen"
14. April 2013Deutsche Welle: Frau Koelbl, was hat Sie an diesem Projekt gereizt?
Herlinde Koelbl: Ich fand die Idee sehr interessant, weil wir über das Jubiläum "50 Jahre koreanische Bergarbeiter und Krankenschwestern in Deutschland" eigentlich relativ wenig wissen. Das Thema ist insgesamt kaum im Bewusstsein, deshalb fand ich es spannend dies tiefer zu erforschen. Und der Frage nachzugehen, wie die Menschen sich hier eingewöhnt und eingerichtet haben und wie ihr Leben jetzt ist.
Was ist auf den Bildern der Ausstellung zu sehen?
Mein Auftrag war es, die koreanischen Familien zu fotografieren. Ich habe sie in ihrem Wohnzimmer fotografiert, oft waren es drei Generationen zusammen. Hier ist quasi das "jetzt"-Bild zu sehen, das zeigt, wie die Familie heute lebt. Aber das war mir zu wenig, ich wollte auch noch mehr erzählen. Mit allen habe ich dann jeweils ihre Familienalben und Unterlagen durchgesehen, habe Bilder ausgesucht aus ihrer Heimat, aus ihrer Jugend, von ihrer Ankunft hier in Deutschland - oder auch Dokumente aus ihrem Leben. Zum Beispiel Arbeitsverträge, Reisepässe oder Belege über Deutschkurse. Diese Dokumente und Privatfotos habe ich um das aktuelle Familienbild herum anstelle eines Bilderrahmens angeordnet, so dass sie sozusagen einen "Lebensrahmen" bilden. Das Bild erzählt also zum einen die Gegenwart, zum anderen aber auch die Lebensgeschichte der Familien.
Stichwort Lebensgeschichte: Gab es eine oder mehrere Geschichten, die Sie besonders bewegt oder beeindruckt hat?
Ich denke, dass das Leben in Deutschland gerade für viele Frauen zu Beginn sehr schwierig war. Ich kann mich an eine Dame erinnern, die einen deutschen Mann geheiratet hat. Sie wohnen am Stadtrand von Berlin. Ich habe sie gefragt, wie es für Sie am Anfang war, und sie meinte, es sei sehr schwer gewesen. Sie konnte natürlich die Sprache nicht besonders gut, und in ihrer Umgebung gab es keine anderen Koreaner. Sie war zwar jung verheiratet, aber trotzdem hat sie sich auch einsam gefühlt und Heimweh gehabt, weil sie keinen Austausch hatte.
Mittlerweile leben die ehemaligen koreanischen Gastarbeiter seit Jahrzehnten in Deutschland. Inwieweit haben Sie nach einem Blick in ihr Zuhause und ihr Leben das Gefühl, dass sie hier auch wirklich angekommen sind?
Ich denke, das kommt ganz auf die Familie und das Umfeld an. Viele sind angekommen, das sieht man daran, wie sie wohnen und eingerichtet sind. Ich glaube, es ist auch noch ein Unterschied, ob einer der Partner Deutscher ist oder ob beide Eheleute Koreaner sind. Wenn beide aus Korea stammen, sind die koreanischen Wurzeln stärker als bei Paaren mit einem deutschen Partner, weil dann natürlich auch ein ganz anderes deutsches Umfeld vorhanden ist.
Wie unterschiedlich leben die koreanischen Familien - oder gab es Ähnlichkeiten, die sie in sämtlichen Häusern oder Wohnungen beobachten konnten?
Insgesamt ist es so, dass viele ein eigenes Haus haben und dass sie am Stadtrand von Berlin leben, weil sie es sich dort finanziell leisten konnten - und auch oft selbst gebaut haben. Natürlich sind nicht alle Hauseigentümer, aber doch einige. Mir ist aufgefallen, dass sie sehr fleißig waren, um sich ihren jetzigen Lebensstandard aufzubauen. Auch ihre Kinder haben alle eine gute Ausbildung, darauf legen die Familien meiner Meinung nach sehr großen Wert.
Was nehmen Sie persönlich mit aus diesem Projekt?
Ich habe zum Einen eine neue Welt kennengelernt. Das ist immer etwas sehr Schönes, es öffnet den Blick. Denn wie schon gesagt: Von der Geschichte der koreanischen Gastarbeiter in Deutschland wissen wir im Allgemeinen relativ wenig. Andererseits ist mir auch aufgefallen, wie stark der Zusammenhalt in allen Familien ist. Das nehme ich sicherlich mit, und ich denke, es kann auch sehr fruchtbar sein, in einem fremden Land neu ein Leben aufbauen zu müssen. Einerseits ist es hart, andererseits ist aber trotzdem eine Motivation da, in der neuen Gesellschaft einen gewissen Status zu erreichen - und das haben die Koreaner in Deutschland geschafft.
Das Gespräch führte Esther Felden.
Herlinde Koelbl zählt zu den renommiertesten deutschen Fotografinnen. Besonders bekannt wurde sie durch ihre Porträts bekannter Politiker: Zwischen 1991 fotografierte sie unter dem Titel "Spuren der Macht" unter anderem Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Angela Merkel.