Kommando Kerry
30. Juli 2004
Vier Tage lang haben die US-Demokraten in Boston versucht, den Amerikanern John Kerry als Präsidenten schmackhaft zu machen. Dabei verzichteten der Kandidat und fast die gesamte Parteiprominenz ganz bewusst auf scharfe Anti-Bush-Rhetorik, auch wenn dessen Abwahl als gemeinsames Ziel die Partei derzeit eint und motiviert wie selten zuvor. In seiner Rede vor dem Parteitag am Donnerstag (29.7.2004) versprach Kerry Sicherheit durch Stärke und eine Wiederherstellung des internationalen Ansehens der USA.
Selbstloser Retter und mutiger Führer
Die Wahl am 2. November 2004 wird von den Wechselwählern, den Unentschlossenen in den Schlüsselstaaten und in der politischen Mitte entschieden, und die muss man mit einer positiven Botschaft gewinnen. Aus diesem Grund gaben sich die US-Demokraten an der Geburtststätte der Nation als Hüter der amerikanischer Ideale ganz darauf bedacht, sich als erneuernde Kraft zu präsentieren, mit der die Spaltung Amerikas überwunden und internationales Ansehen zurückgewonnen werden kann.
Dabei unternahmen sie alles, um John Kerry als erfahrenen Politiker und charakterfesten Menschen zu präsentieren, der Amerika wirksam zu schützen versteht. Denn nichts bewegt die Amerikaner mehr als die Angst, im Kampf gegen den Terror eine historische Niederlage zu erleiden. Deshalb wurde John Kerry vor allem als Kriegsheld gepriesen, als selbstloser Retter und mutiger Führer. Immer als Kontrastfolie zum vermeintlichen Drückeberger George W. Bush, dessen Dienst in der militärischen Heimatreserve nur unzureichend dokumentiert ist.
Parteitags-Zirkus und Inszenierung
Diese Überbetonung des Präsidentschaftskandidaten als Kommandochef, der als Oberbefehlshaber der US-Truppen über jeden Zweifel erhaben wäre, ist nur im Lichte des 11. Septembers zu verstehen, der für die USA zum Definitionsmoment ihrer jüngeren Geschichte geworden ist.
Gleichzeitig spiegelt der Parteitag das verzweifelte Bemühen der Demokraten, den Bonus von Präsident Bush und der Republikaner in Fragen der nationalen Sicherheit zu kompensieren. Manchmal geschah dies mit einer Penetranz, die bei europäischen Beobachtern einen unangnehmen Beigeschmack hinterließ. Vom ausgeprägten Zirkus- und Showcharakter eines solchen Parteitages einmal ganz zu schweigen.
Zweifel sind angebracht
Hoffnungen, unter einem Präsidenten Kerry würden sich die USA wieder zu einer sanften Macht entwickeln, die das Primat des Militärischen zugunsten verstärkter Diplomatie und internationaler Vereinbarungen aufgibt, dürften sich mit diesem Parteitag endgültig als voreilig erwiesen haben. Vieles an der Politik John Kerrys blieb darüberhinaus vage. Wie will Kerry im Irak den Karren aus dem Dreck ziehen, wie sollen Nordkorea und der Iran zur Aufgabe ihrer Nuklearpolitik gebracht werden?
Das Urgestein der Demokratischen Partei, Senator Ted Kennedy, brachte es auf den Punkt. Die Demokraten fürchten nur eines: Vier weitere Jahre George W. Bush im Weißen Haus. Das muss unbedingt verhindert werden, Festlegungen in der Außenpolitik schaden da nur. Stattdessen scharrt man sich unisono hinter Kerrys Kommando, mit dem Strahlemann Edwards als sozialem Gewissen der Nation. Ob diese Inszenierung ausreichen wird, um das düstere Spektakel von vier weiteren Jahren Bush zu verhindern, darf getrost bezweifelt werden. Im Zweifelsfall ist das Original dem Wähler lieber als die weichgespülte Kopie.