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Politik

Bolsonaro kann nur Wahlkampf

Thomas Milz - Gastkommentarbild
Thomas Milz
2. Januar 2019

Die große Geste der Versöhnung ist Jair Bolsonaro bei seinem Amtsantritt schuldig geblieben. Stattdessen verfiel er wieder in das bekannte "Wir gegen sie". Doch das kann sich Brasilien nicht leisten, meint Thomas Milz.

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Brasilien | Amtseinführung Jair Bolsonaro
Bild: picture-alliance/dpa/AP/S. Izquierdo

"Ich bestätige noch einmal mein Versprechen, eine Gesellschaft ohne Diskriminierung und ohne Spaltung zu errichten", sagte Jair Messias Bolsonaro am Dienstag bei seiner Vereidigung zum 38. Präsidenten Brasiliens. Doch man darf sich nicht blenden lassen. Der ultra-rechte Ex-Militär und Langzeit-Hinterbänkler des Abgeordnetenhauses, der Ende Oktober über 55 Prozent der Stimmen erhielt, ist nicht über Nacht zum Staatsmann gereift.

Ganz im Gegenteil. Vor dem ihn zu Ehren versammelten Kongress, ausländischen Staatschefs und rund 100.000 Fans fiel Bolsonaro zurück in den altbekannten Wahlkampfmodus. Mit dem heutigen Tag beginne das Volk, sich vom Sozialismus zu befreien, so Bolsonaro. Sozialisten, auch mal Kommunisten oder Marxisten genannt, sind in seiner Welt all die, die ihm nicht zustimmen, und die er mit Gottes Hilfe davon abhalten will, die christliche Welt auszulöschen.

Raubtierkapitalismus und Klientelwirtschaft

Brasilien regiert haben jene ominösen Kräfte allerdings noch nie. Selbst die linke Arbeiterpartei PT, die zwischen 2003 und 2016 regierte, traute sich nicht an die Jahrhunderte alten Privilegien der Eliten heran. Brasilien ist dank seiner Mischung aus Raubtierkapitalismus und Klientelwirtschaft weiterhin eines der ungleichsten Länder der Welt. Ob Bolsonaro diese sozialen Verwerfungen wahrgenommen hat, und ob er als Präsident etwas dagegen unternehmen will, ist auch nach seinen beiden umjubelten Antrittsreden vom Dienstag weiter nebulös.

Thomas Milz - Gastkommentarbild
DW-Korrespondent Thomas MilzBild: Privat

Bolsonaro ist der erste Präsident seit Brasiliens Rückkehr zur Demokratie Mitte der 80er-Jahre, der politisch weiter rechts steht als der ohnehin äußerst konservative Kongress. Beobachter hatten deshalb erwartet, dass er seinen Diskurs mäßigen und in die politische Mitte rücken würde. Dafür gibt es bisher aber keine Anhaltspunkte. Vielleicht orientiert er sich ja wieder an seinem politischen Idol Donald Trump und lässt es auf eine Konfrontation mit dem Kongress ankommen. Besorgnis erregend war jedenfalls, dass offensichtlich zahlreiche Abgeordnete der Vereidigung fernblieben.

Dabei kann sich Brasilien keine Blockaden leisten. Bund, Länder und Gemeinden stehen kurz vor dem Finanzkollaps. Hier muss Bolsonaro schnell handeln. "It's the economy, stupid" - läuft die Wirtschaft, läuft auch seine Präsidentschaft. Oder eben nicht. Trotz der Haushaltslöcher versprach Bolsonaro, Unternehmer und Arbeitnehmer entlasten zu wollen. Wie das funktionieren soll, ist erst einmal ungewiss. 

Keine Aussöhnung in Sicht

Zudem teilte er gegen seine politischen Opponenten aus. Für das Anfang September auf ihn verübte Attentat machte er dubiose "Gegner des Vaterlandes, der Ordnung und Freiheit" verantwortlich. Dabei gehen die Ermittler bisher nur von einem geistig verwirrten Einzeltäter aus; für eine politisch motivierte Tat oder gar Hintermänner aus dem Lager des politischen Gegners gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Doch an einer Aussöhnung mit der Opposition scheint ihm nichts zu liegen. So beendete er seine Rede mit seinem bekannten Slogan "Unsere Fahne wird nie rot sein", in Anlehnung an die Fahnen des linken Lagers. Dann fügte er noch einen seltsamen Nachsatz an, über dessen genaue Bedeutung die politischen Beobachter in Brasília wohl noch lange nachdenken werden. "Sie wird nur dann rot werden wenn es nötig wird, unser Blut dafür zu vergießen, dass sie weiter grün-gelb bleibt."