Ja, da kann einem wirklich Angst und Bange werden. Das neuartige Coronavirus (nCoV) breitet sich scheinbar rasend schnell aus und auch die Zahl der Todesopfer steigt ständig. Die drastischen Maßnahmen der chinesischen Regierung, die mal eben 43 Millionen Menschen unter Quarantäne gestellt hat, sind sicher effektiv, um die Ausbreitung des Virus wirksam einzudämmen.
Und wenn es tatsächlich gelingt, die Bevölkerung der Provinz Hubei und anderer betroffener Gebiete für mehrere Wochen weitgehend zu Hausarrest zu verdonnern, könnte die Epidemie vielleicht sogar schneller in sich zusammenbrechen als mancher geahnt hat.
Mit Angst infiziert
Doch mit dem Virus ist es wie mit Aktienkursen: Über deren Höhe und Wirkmächtigkeit entscheidet weniger die Realität und der nüchterne Verstand im Kopf als die Erwartungshaltung im Bauch. Der Mundschutz ist so zum Symbol dieser Erwartunghaltung geworden: Wer ihn trägt, zeigt, dass er sich davon schon hat anstecken lassen.
Klar ist jedenfalls: Die entschlossenen Schritte der chinesischen Regierung zeigen nachhaltig Wirkung, weltweit. Denn die Angst vor nCoV breitet sich noch schneller aus, als das Virus selbst.
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Tief ein- und ausatmen!
Vielleicht sollten wir doch erstmal tief durchatmen - ganz ohne Mundschutz - und jenseits der aktuellen Nachrichtenlage die Situation betrachten: Coronaviren galten lange als relativ harmlose und normale Erkältungserreger - mit denen wir immer wieder mal konfrontiert waren.
Aber die Viren sind wandlungsfähig und können zu gefährlichen Formen mutieren, wie sich im 21. Jahrhundert bereits mehrfach zeigte. Der Ausbruch der von Tieren übertragenen Seuchen SARS und MERS hat auch das öffentliche Image der Coronaviren verändert.
Die beiden Viren-Varianten waren tatsächlich recht gefährlich. Bei SARS starb einer von zehn in Krankenhäusern behandelten Infizierten. Bei MERS sahen die Zahlen oberflächlich noch dramatischer aus: Ein Drittel derjenigen, die sich in Behandlung begaben, starben an dem von Kamelen übertragenen Erreger.
Zahlenspiele
Doch später kam heraus, dass es auf der arabischen Halbinsel noch viel, viel mehr Menschen gab, die sich mit MERS infiziert hatten, aber nie starke Symptome zeigten. Sie mussten sich überhaupt nie in medizinische Behandlung begeben. Und so ähnlich wie mit MERS könnte es jetzt auch mit nCoV sein: Die Zahlen der behandelten Patienten und auch der Todesopfer steigt zwar in diesen Tagen für alle sichtbar dramatisch an.
Das liegt aber vor allem daran, dass die Epidemie gerade mitten in ihrer Ausbreitungsphase ist. Wie jede Epidemie wird sie indes früher oder später wieder in sich zusammenbrechen, weil die Infizierten Immunitäten gebildet haben und sich die Seuche totläuft. Und auch jetzt könnte sich nCoV noch als weniger gefährlich erweisen. Nach den offiziellen Zahlen stirbt einer von 40 Erkrankten an dem Virus. Damit ist es schon deutlich weniger gefährlich als SARS oder MERS.
Dabei ist aber noch nicht berücksichtigt, dass viele Erkrankte in Wuhan oder in anderen betroffenen Gebieten in China einfach zuhause bleiben und sich auskurieren, weil es vorerst sowieso keine wirksamen Medikamente gegen das Virus gibt. Diejenigen, die wegen eines besonders schweren Verlaufs den Weg in die Krankenhäuser suchen, sind wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. Und alle anderen fallen aus der Statistik einfach heraus.
Lieber an die Grippe denken
Würden diese einberechnet, könnte sich am Ende sogar zeigen, dass nCoV kaum gefährlicher ist als die gewöhnliche Grippe, die Jahr für Jahr saisonal um den Globus zieht und der je nach Variation auch immer wieder tausende oder gar zehntausende Menschenleben zum Opfer fallen. Und gerade jetzt grassiert die Grippe wieder auf der Nordhalbkugel.
Gerade deshalb sollten wir vielleicht erst einmal an die Grippe denken und weniger an nCoV, wenn wir uns nach einer Fahrt in Bus und Bahn oder nach dem Anfassen von Türklinken in öffentlichen Gebäuden richtig gründlich die Hände waschen. Und den Mundschutz? Den können wir ruhig weglassen. Ach ja, bevor wir's vergessen: Haben Sie sich eigentlich schon impfen lassen?
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