Der Vorsitzende der rechtspopulistischen FPÖ triumphierte nach der Abstimmung in einem Unterausschuss des österreichischen Parlaments: Das Freihandelsabkommen der EU mit den vier südamerikanischen Mercosur-Staaten sei tot! Doch da hat er sich genauso wie andere Parteien in Österreich sowie prinzipielle Freihandels-Gegner sonstwo in der EU zu früh gefreut. Das Votum in Österreich bindet zwar die derzeitige Übergangsregierung. Was aber nach den Parlamentswahlen in zehn Tagen und der neuen Regierungsbildung passiert, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Österreich kann mit seinem angedrohten Veto sicherlich die finalen Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur-Verbund beeinflussen. Denn noch gibt es gar keinen abgestimmten Text für das Freihandelsabkommen. Der soll 20 Jahre nach Aufnahme der ersten Gespräche Ende Oktober auf dem Tisch liegen. Erst dann kommt es zur entscheidenden Abstimmung im Rat der EU, wo die Mitgliedsstaaten durch ihre Wirtschafts- oder Handelsminister vertreten sind. Im Moment sieht es so aus, als müssten alle EU-Staaten zustimmen. Eine Mehrheitsentscheidung wäre nur möglich, wenn die EU-Kommission erklärte, dass das Abkommen allein in die Zuständigkeit der EU und nicht in die der Mitgliedsstaaten fällt. Das ist aber bei einem so umfassenden Handelsabkommen, das Teil eines weiter gefassten Assoziierungsabkommens mit Südamerika ist, nicht vorstellbar.
Kein Vertrag ist für den Regenwald auch nicht besser
Einstimmigkeit ist also erforderlich. Nicht nur Österreich pokert deshalb mit seinem Veto. Frankreich, Irland und Luxemburg haben aus unterschiedlichen Gründen ebenfalls mit einer Ablehnung des Abkommens mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gedroht. Sie behaupten plötzlich, sie könnten mit dem rechtsnationalistischen Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, keinen Vertrag schließen, weil dieser den Regenwald in seinem Land nicht schütze. Dieses Argument steht aber auf tönernen Füßen, denn das Mercosur-Abkommen würde auch bestimmte Umweltstandards festlegen und den Schutz des Regenwaldes verlangen, damit alle Handelsvorteile gewährt werden können. Ohne das Abkommen würde Präsident Bolsonaro seine Politik sicherlich erst recht nicht verändern. Die EU hätte dann aber kein Druckmittel in der Hand.
Es ist deshalb viel wahrscheinlicher, dass Frankreich, Irland und wohl auch Österreich eher Angst um die eigenen Bauern haben. Die klagen nämlich lauthals, Rindfleisch aus Südamerika würde demnächst die EU überschwemmen und heimische Landwirte in die Knie zwingen. Die Kritik mag zum Teil zutreffen, ist aber übertrieben: Denn der Anteil südamerikanischen Rindfleischs am europäischen Markt macht gerade einmal ein bis zwei Prozent aus und soll durch das Mercosur-EU-Abkommen auch nicht drastisch gesteigert werden. Europas Bauern leiden eher an der eigenen Überproduktion: In der EU werden jährlich 102 Prozent des Bedarfs an Rindfleisch produziert. Die EU selbst exportiert Rindfleisch.
Auf der anderen Seite würden aber europäische Maschinen- und Autobauer, Ausrüster und Dienstleister vom Abbau von Handelshemmnissen profitieren. Bereits heute ist Südamerika für diese Branchen weltweit der zweitgrößte Absatzmarkt.
Grundsätzliche Debatte über Welthandel nötig
Der aufkeimende Streit um den Sinn des neuen Handelsabkommens wird wieder zu einer Grundsatzdebatte für Freihandel führen. Natürlich gibt es bei solchen Abkommen stets Gewinner und Verlierer. Abzuwägen ist aber, ob die Vorteile für die Volkswirtschaften insgesamt überwiegen. Diskutieren kann man auch, ob in Zeiten des forcierten Klimaschutzes der Handel über Kontinente hinweg überhaupt sinnvoll ist. Oder sollte man lieber autarke Versorgungssysteme anstreben, die mit weniger Transport- und Energieaufwand auskommen, dafür aber Waren nur teurer und in geringerer Auswahl auf die Märkte bringen?
Diese Fragen werden sicherlich noch einmal zu diskutieren sein, wenn das Mercosur-Abkommen wirklich in die Ratifizierung in den Mitgliedsstaaten der EU geht. Bis sich alle Parlamente in den 27 Staaten geäußert haben, werden zwei Jahre vergehen. Aber auch die Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta), mit Japan (Jefta) und anderen Staaten haben diesen Prozess mit einigen Irrungen und Wirrungen überstanden. Es leuchtet nicht ein, warum das nicht auch mit Südamerika gelingen sollte.
Das Freihandels- und Investitionsabkommen mit den USA (TTIP) ist vorläufig nur deswegen gescheitert, weil der isolationistische Präsident Donald Trump die Gespräche beendet hat. Die EU hat das Ziel aber nicht aus den Augen verloren. Ein erfolgreiches Abkommen mit Südamerika wäre ein ganz wichtiges politisches Signal an die USA und den Rest der Welt, dass internationale Zusammenarbeit und Handel eben doch funktionieren und einen Wohlstandsgewinn für alle Beteiligten bringen, obwohl Trump und China sich derzeit einen Krieg mit Zöllen und Gegenzöllen liefern.