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Rad der Gewalt

Peter Philipp8. November 2006

Kein Ende der Gewalt im Gazastreifen: Israel hat beim Beschuss eines Wohnhauses zahlreiche Frauen und Kinder getötet. Peter Philipp kommentiert.

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Fernschreiber Autorenfoto, Peter Philipp

Gibt es niemanden, der diesen Wahnsinn stoppen kann? Kaum gibt es ein Fünkchen Hoffnung auf Entspannung im israelisch-palästinensischen Konflikt, da wird es wieder zertrampelt. Und das Rad der Gewalt eine Stufe weiter gedreht.

Seit Monaten führt Israel nun einen nicht erklärten Krieg im Gazastreifen, den es eigentlich letztes Jahr offiziell verlassen hatte. Unter dem Vorwand, man wolle den im Frühsommer entführten Soldaten Gilad Shalit befreien und den Raketenbeschuss auf israelische Grenzorte unterbinden. Keines dieser Ziele hat man erreicht. Was man aber erreicht hat: Not, Resignation, Verbitterung und auch Wut sind bei den Palästinensern gestiegen und haben eine Lösung unwahrscheinlicher denn je gemacht.

Keine Geste des guten Willens

Trotzdem zeichnete sich - wieder einmal - eine Annäherung zwischen dem gemäßigten Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas und der regierenden Hamas an. Und Israel schien seinen Beitrag beizusteuern: Es verließ den Ort Beit Hanun, wo man tagelang rücksichtslos gegen alles und alle gewütet hatte, die zum Feind abgestempelt wurden. Eine Geste des guten Willens? Der Artillerie-Beschuss von Mittwoch früh (8.11.) spricht dagegen: Mindestens 19 Tote - zumeist Frauen und Kinder - sind der Beweis, dass es keinen guten Willen gibt. Nur blanke Gewalt.

Natürlich wird man nun von "Versehen" sprechen. Aber wie schon in früheren Fällen: Israel weiß doch längst, dass man Terroristen nicht mit Artillerie bekämpfen kann. Bei allem Verständnis dafür, dass Israel sich vor Raketenangriffen schützen will: Mit solchen Aktionen treibt es die Eskalation nur weiter voran.

Das Blutbad von Beit Hanun macht eine Einigung zwischen Abbas und Hamas nur noch unwahrscheinlicher. Und Hamas wird gestärkt. So wie die provozierenden Überflüge und Scheinangriffe im Libanon die Hisbollah gestärkt haben, die heute mehr Macht in der Regierung fordert. Israel will die Radikalen isolieren oder gar ausschalten, in Wirklichkeit aber spielt es ihnen in die Hände und stärkt sie.

Israel will keine Einigung

Der zynische Schluss, den man hieraus ziehen kann, ja - ziehen muss: Israel ist nicht an einer Mäßigung der Gegenseite gelegen. Die nämlich würde als nächsten Schritt israelische Konzessionen erforderlich machen. Zugeständnisse, die Jerusalem offenbar nicht zu machen bereit ist: Ernsthafte Verhandlungen mit den Palästinensern, Anerkennung ihres Rechtes auf Selbstbestimmung und einen eigenen Staat.

Komme keiner in Jerusalem und behaupte, dies sei eine böswillige Unterstellung: Die Aufnahme der extrem palästinenserfeindlichen Partei Avigdor Liebermans in die Regierung war ein politisches Signal in diese Richtung; die unbekümmerte militärische Eskalation ist ein weiteres Zeichen dafür, dass man in Jerusalem nicht ernsthaft eine Lösung will.

Allein Washington könnte hier vielleicht ein Machtwort sprechen. Bisher hat es dies versäumt, und nach den Wahlen wird es dazu wohl auch nicht bereit sein.