Es bedarf eines Tweets, damit die Diskussion in Gang kommt: "2018 und es gibt immer noch rassistische Affengeräusche von den Rängen - ernsthaft?!", fragt der Dortmunder Bundesliga-Profi Michy Batshuayi nach dem 1:1 seines BVB bei Atalanta Bergamo via Twitter und fügt in Richtung der Italiener nicht ohne etwas Trotz hinzu: "Ich hoffe, ihr habt Spaß, den Rest der Europa League vor dem TV zu verfolgen, während wir noch dabei sind." Die Schadenfreude gegenüber dem unterlegenen Gegner in der Europa-League-Zwischenrunde sei ihm erlaubt, denn das, was die Fans von Bergamo sich rausnehmen, ist menschenverachtend.
Wir schreiben das Jahr 2018 und noch immer gibt es mitten Europa öffentlich zelebrierten Rassismus. Da werden Michy Batshuayi und seine beiden Teamkollegen Alexander Isak und Dan-Axel Zagadou von der Tribüne mit Affenlauten verhöhnt - nur weil sie eine dunkle Hautfarbe haben. Natürlich steckt dahinter ein gesellschaftliches Problem, das in Italien größer ist als in manch anderer europäischer Nation. Auch im Alltag haben es hier dunkelhäutige Menschen, aber auch Sinti und Roma schwer, haben mit Beleidigungen, Benachteiligungen oder gar Angriffen zu kämpfen. Der Fußball ist ja nur ein Spiegel der Gesellschaft - kann man also nichts machen? Nein, ein solches Achselzucken des Fußballs ist nicht hinnehmbar.
Die Vereine müssen mehr in Pflicht genommen werden
Denn natürlich kann der Fußball gegen Rassisten im Fanblock härter vorgehen. PR-Kampagnen mit Stars und kreative Videoclips von Vereinen sind das eine. Aber Verbände und deren Sportgerichte können Sanktionen aussprechen. Geisterspiele, also Partien ohne Fans, treffen zwar auch die große Mehrheit der Zuschauer, die Rassismus ebenfalls verurteilen. Doch wenn sich die Vorfälle wiederholen, muss eben ein starkes, spürbares Zeichen gegen das Diskriminieren her. Bei Atalanta Bergamo wäre es an der Zeit: Der Verein hatte im vergangenen Monat bereits eine Blocksperre erhalten, da Kalidou Koulibaly vom SSC Neapel zuvor rassistisch beleidigt worden war. Geändert hat das ganz offensichtlich nichts.
Und natürlich müssen auch die Vereine stärker in die Pflicht genommen werden: Strafzahlungen bei wiederholten rassistischen Ausfällen der eigenen Fans dürfen kein Tabuthema sein. Sie könnten gemeinnützigen Aktionen gegen Rassismus und Ausgrenzung zugute kommen. Und sie könnten zu einer aktiveren Rolle der Vereine im Kampf gegen Diskriminierung führen. Eine bloße Entschuldigung wie von Atalanta-Präsident Antonio Percassi ("das darf niemals vorkommen") reicht nicht aus.
Warum nicht einen Spielabbruch provozieren?
"Es ist leider so, dass es schon häufiger vorgekommen ist. Das sollte mal irgendwann endlich aufhören", sagte BVB-Kapitän Marcel Schmelzer zu den Affenrufen gegen seine Teamkollegen und wirkte dabei ähnlich hilflos wie Viele im Fußball. Doch es gibt eine wirkungsvolle Waffe gegen Rassisten im Stadion, und Eintracht Frankfurt-Star Kevin-Prince Boateng wäre bereit, sie auch zu nutzen: Der in Berlin geborene Ghanaer fordert einen sofortigen Spielabbruch wenn Affenlaute von den Rängen kommen. "Ich würde auch als Einzelner vom Platz gehen, wenn ich so etwas höre. Und meine Mannschaft würde mir folgen", sagte Boateng in einem "Sport1"-Interview. Vielleicht bedarf es erst eines solchen Eklats, bis der Fußball endlich aufwacht.
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