Früher, vor Corona, waren der Klimaschutz und die Frage, wann Deutschland aus der umweltschädlichen Kohleverstromung aussteigt, sogar nach Aussagen der Regierung die wichtigsten Themen in Deutschland. Vor noch längerer Zeit nannte selbst die Bundeskanzlerin die Energiewende, den Umstieg also von fossilen auf erneuerbare Energieträger, eine Mondlandung oder wahlweise die wichtigste Aufgabe seit der Deutschen Einheit.
Aber eben vor Corona. An diesem Freitag haben Bundestag und Bundesrat mehr oder weniger klanglos zwei Gesetze beschlossen, über die jahrelang heftig gestritten wurde. Deutschland steigt danach bis 2038 aus der Förderung und Verbrennung von Braun- und Steinkohle zur Energiegewinnung aus. Ein früherer Zeitpunkt wäre technisch möglich, ließ sich aber politisch erst einmal nicht durchsetzen. Die betroffenen Regionen, vor allem in Ostdeutschland sowie das Rheinische Revier, wo bis heute Braunkohle abgebaut wird, bekommen stattliche 40 Milliarden Euro als Ausgleich für den nun anstehenden Strukturwandel. Eine gewaltige Summe, auch wenn sie angesichts der Beträge für die Corona-Bewältigung fast schon bescheiden anmutet.
Es hätte bessere Ergebnisse geben können
Für den Klimaschutz hätte es bessere Ergebnisse geben können als diese zwei Gesetze. Aber angesichts der allgemeinen Krisenlage darf man fast schon froh sein, dass es überhaupt noch zum Kohleausstieg gekommen ist. Kohlefreunde etwa bei CDU und CSU hatten zumindest vorübergehend gefordert, die Vereinbarung wegen der Pandemie und vor allem wegen der wirtschaftlichen Folgen zu verschieben. Und bis zuletzt rangen CDU, CSU und SPD um Details, um eine bessere Förderung der vergleichsweise klimafreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung etwa, was dann auch gelang. Schade ist, dass nicht gleich ein verbindlicher Ausbauplan für die Erneuerbaren Energien mit beschlossen wurde. Und richtig ärgerlich ist, dass genau in den Tagen, im denen sich die Regierung für ihren Kohledurchbruch feiert, noch ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz gegangen ist - Datteln 4.
Obwohl die Regierung der Kohleindustrie also weit entgegen gekommen ist, bleibt ein mulmiges Gefühl, ob der Beschluss des Parlaments wirklich das letzte Wort in Sachen Kohle ist. Weitere satte 18 Jahre darf Stand heute nun also noch Kohle in Deutschland gefördert und verbrannt werden - ganz schön viel Zeit für eine Energie-Erzeugungsart von gestern.
Ein mulmiges Gefühl deshalb, weil die alten Konflikte, die der Ausstieg beilegen sollte, gut und gerne wieder aufflammen können, verstärkt durch die Pandemie und ihre Folgen. Wer einmal mit den Beschäftigten in den Braunkohlerevieren besonders im Osten Deutschlands gesprochen hat, der weiß, wie groß der Graben ist zwischen diesen Menschen und den Klimaschützern. Und wie groß die Angst der lokalen Politik, von Populisten bei diesem Thema vorgeführt zu werden. Hier die urbanen, jungen, gut ausgebildeten Streiter der Klimaprotestbewegung von "Fridays-for-Future", dort die Beschäftigten in den Tagebauen, die Menschen in den Dörfern, in der Zulieferindustrie. Vor Corona hätte es vielleicht eine Chance gegeben, die bitter verfeindeten Parteien zu versöhnen, jetzt wird das schwieriger.
Kampf gegen den Klimawandel wird schwieriger
Es nützt nicht viel, in dieser Debatte darauf zu verweisen, dass der coronabedingte Rückgang des weltweiten Klimagas-Ausstoßes das Problem nicht löst. Der große Druck, den die Bewegung der Schwedin Greta Thunberg weltweit dem Thema Klimawandel beschert hat, scheint fast schon Geschichte - vorerst jedenfalls. So gesehen ist es mehr als eine Randnotiz, dass der Bundestag jetzt den Weg frei gemacht hat für den mühsam gefundenen Kompromiss, auch wenn der dem Klima erst einmal eher wenig nützt. Es wird schwer genug für die Klimaschützer, den Druck hoch zu halten, wenn aktuell über eine nach wie vor nicht ausgestandene Pandemie, über unzumutbare Zustände in den Schlachthöfen und einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in nie dagewesenem Ausmaß gesprochen wird.
Die Energiewende bleibt eine Mondlandung, und mit heute ist ein kleines weiteres Stück auf dem langem Weg geschafft. Der Rest wird schwieriger werden als noch vor Monaten gedacht.