Eine Reise wie eine Provokation. In Zeiten des blühenden Populismus, in denen Mauern gebaut und Hass gesät wird, in denen aus religiösen Gründen verfolgt und unterdrückt wird. Da wirkt der Besuch von Papst Franziskus in Abu Dhabi, der erste Besuch eines katholischen Kirchenoberhaupts auf der Arabischen Halbinsel überhaupt, wie eine Gegenthese.
Eine Papstreise ist immer auch Inszenierung. Da sind anrührende Momente und große Gefühle. Das gilt auch für die 27. Reise dieses Papstes. Auch diesmal gab es bunte Bilder. Aber welches Bild ist symbolhafter als die Szene, in der Großimam, Scheich und Papst Hand in Hand unterwegs sind?
Der Papst und der Großimam unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung: eine strikte Absage an Gewalt und Terror, ein Appell zu Entwicklung und Gerechtigkeit, eine Bekräftigung von Frauen- und Kinderrechten. Mancher Aspekt lässt sich auch lesen als Mahnung an die Emirate, das Gastgeberland, das beim Thema Menschenrechte und Religionsfreiheit viel Nachholbedarf hat und doch ein Leuchtturm in einer dunklen Region ist.
Dahinter kann niemand mehr zurück
Aber das "Dokument über die Geschwisterlichkeit unter den Menschen für den Weltfrieden und das Zusammenleben" ist eine Botschaft an die Welt, an die internationale Staatengemeinschaft. Und auch wenn es nur diese beiden Spitzenrepräsentanten unterzeichnet haben - hinter diese Festlegung kann niemand zurück.
Deshalb war die 27. Auslandsreise des Franziskus seine vielleicht bislang wichtigste. Eine Reise von historischer Bedeutung, ein Meilenstein. Und er hat dafür langen Anlauf genommen, im Heiligen Land und in den mehrheitlich muslimische geprägten Ländern Türkei, Zentralafrikanische Republik, Aserbaidschan, Ägypten, Myanmar und Bangladesch. Zum fünften Mal traf Franziskus den Großimam von Al-Azhar, Ahmed Al-Tayyeb. Man darf gespannt sein, ob der Ägypter, ein stets einflussreiches Mitglied der ägyptischen Regierung im Range eines Ministerpräsidenten, das Dokument zu Hause laut vorliest. Er könnte Schwierigkeiten bekommen.
Im Vorfeld dieser Reise wurde daran erinnert, dass vor genau 800 Jahren der friedensbesessene Franz von Assisi während des fünften Kreuzzugs an den Nil zog und dort im Lager des muslimischen Heeres vor Sultan Al-Kamil predigte. Ein Spinner, dieser Franz, würden heutige Realpolitiker wohl sagen. Der Jesuit aus Argentinien ist das erste Kirchenoberhaupt, das den Namen des Ordensgründers als Papstname wählte: Franziskus.
Während der "Interreligiösen Konferenz" und auch während der großen Messfeier in Abu Dhabi berichtete der Papst selbst vom Heiligen Franziskus und dessen Anweisungen, wie seine Brüder den Sarazenen und Nichtchristen begegnen sollten. "In jener Zeit, als Viele mit schweren Rüstungen loszogen, erinnerte der Heilige Franziskus daran, dass der Christ nur mit seinem demütigen Glauben und seiner konkreten Liebe gerüstet losbricht." Heute sind wieder zu Viele in schweren Rüstungen unterwegs.
Papst Franziskus hat in Abu Dhabi Klartext gesprochen. "Die Brüderlichkeit aller Menschen verlangt von uns als Vertreter der Religionen die Verpflichtung, jegliche Form der Billigung des Wortes Krieg zurückzuweisen. Wir haben seine katastrophalen Folgen vor unseren Augen", sagte er und nannte den Jemen, Syrien, den Irak, Libyen. "Lasst und gemeinsam gegen die Logik bewaffneter Macht eintreten." Dabei sind die Vereinigten Arabischen Emirate im Jemen-Krieg engagiert.
Undiplomatische Deutlichkeit
Nach politischen Kriterien würde man sagen: Die Deutlichkeit des Franziskus war undiplomatisch. In den Kriterien dieser Reise lässt sich sagen: Sie war stimmig. Die Gastgeber der Emirate hatten im Vorfeld betont, dass Franziskus - Religionsoberhaupt und staatlicher Repräsentant zugleich - sagen könne, was er sagen wolle. Er hat es genutzt, aber nicht ausgenutzt.
Es wird nicht alles besser werden nach dieser Reise, diesen Reden und dieser Erklärung. Auch künftig wird es Extremisten geben, die morden, und Christen, die - ob in Pakistan oder auf der Arabischen Halbinsel - für ihren Glauben verfolgt werden. Aber beide Seiten können nicht hinter die Worte der Erklärung von Abu Dhabi zurück. Für die muslimische, die sunnitische Seite ist es ein langer Weg. Und es wird Situationen geben, wo man sie an die Zusagen erinnern muss.
Eine der letzten Szenen dieser Reise: Kronprinz Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan verabschiedet den Gast aus Rom auf dem Flughafen am Fuß der Gangway. Da standen sie und redeten miteinander. Ruhig. Minutenlang. Das wirkte nicht wie ein Schlusspunkt. Man darf hoffen.