Die Welt des US-Präsidenten ist so klein, wie klar: Er nimmt nur wahr, was ihm passt. Menschen, mit Meinungen, die ihm nicht gefallen, entfernt er aus seinem Umfeld. Kritik wird mit Rausschmiss geahndet. Fakten, die sein politisches Kalkül stören, ignoriert er - wenn es sein muss, zu Tode.
Auch seine politische Agenda ist dabei überschaubar: Jenen zu geben, die bereits viel haben, auf dass sie noch reicher werden. Und die extremen religiösen Gruppen bei Laune zu halten, damit deren Stimmen auf jeden Fall sicher sind.
Taktik lange aufgegangen
Diese Taktik ist bis zum Beginn der Corona-Krise aufgegangen. Die Wirtschaft lief, die geschönten Arbeitslosenzahlen wurden immer schöner, und der harte Kern seiner Anhänger erfreute sich an ihrem starken Mann im Weißen Haus, der der ganzen Welt mal so richtig zeigte, wie großartig die Vereinigten Staaten doch sind, wenn sie sich vor allem um sich selber kümmern.
Und zack, dann kam das tödliche Virus. Unsichtbar und unberechenbar. Und brachte das ganze goldene Kartenhaus des 45. US-Präsidenten mit einem Mal ins Wanken.
Während die ganze Welt darüber diskutiert, wie hart die Schutzmaßnahmen sein müssen, verweigerte sich Trump von Anfang an der Wirklichkeit. So, als würde er noch immer seine Reality-Show im Fernsehen moderieren, in der ganz allein er das Drehbuch schreibt.
Zynisches Kalkül
In brutal zynischem Kalkül war er mit einigen seiner Berater von Tag 1 der Pandemie an bereit, Alte und Kranke zu opfern, um seine Wiederwahl ja nicht durch schlechte Wirtschaftszahlen zu gefährden. Alles sollte so weiterlaufen wie bisher. Bloß keine Geschäfte schließen, bloß keine Umsatzeinbußen in Kauf nehmen. Doch dann kam die Hölle von New York. Spätestens dann hätte er die Verantwortung annehmen müssen, und die Gesundheit der amerikanischen Bürger an erste Stelle setzen müssen. Er hätte das Tragen von Masken und Abstandhalten propagieren müssen, um noch Schlimmeres zu verhindern.
Alles ist politisiert
Fehlanzeige. Ein starker Mann zeigt keine Verletzlichkeit. In den Trump-Jahren ist sogar das Tragen einer Gesichtsmaske politisiert. Aus allem wird ein parteipolitisches Statement gemacht. Auch das ein Grund, warum viele Republikaner zunächst dachten, Masken seien etwas für demokratische Weicheier. Das Virus konnte sich ungehindert besonders in den republikanisch dominierten Bundesstaaten breit machen.
Was die Wirtschaft schützen sollte, ist nun ins genaue Gegenteil verkehrt. Besonders hart getroffen sind die Staaten mit laxen Regeln. Jene Teile Amerikas, in denen die politisch Verantwortlichen keine Chance sahen, den sogenannten individuellen Freiheitswillen einzuschränken, ohne massiv an Beliebtheit einzubüßen. Auch deshalb, weil viele die Rückendeckung ihres Präsidenten sahen, der das Ganze bis heute als Angriff seiner Feinde umzudeuten versucht.
Zunehmend Kritik von Republikanern
In den vergangenen Tagen hat dieses Lügengebäude allerdings starke Risse bekommen. Gerade in Regionen, die Trump dringend für seine Wiederwahl braucht, sind die Zustände katastrophal. Hospitäler haben schon jetzt ihre Kapazitätsgrenzen erreicht, es muss damit gerechnet werden, dass nach dem vergangenen Feiertagswochenende die Zahlen weiter ansteigen.
Bürgermeister und Gouverneure ordnen jetzt die Maskenpflicht an, selbst in Staaten wie Texas. Trumps Auftritte werden von weniger Menschen besucht, seine rassistischen Einlassungen, mit denen er von der bedrohlichen Lage abzulenken versucht, bewirken bei vielen das Gegenteil. Immer mehr Republikaner üben offene Kritik und warnen vor seiner Wiederwahl.
Anders als der Staatsführer selbst scheinen viele Bürgerinnen und Bürger nunmehr aufzuwachen. Die Angst, ernsthaft zu erkranken, vielleicht sogar zu sterben oder Familienangehörige durch COVID-19 zu verlieren wird spürbarer in dem Land, das vor knapp vier Jahren Donald Trump ins Weiße Haus gewählt hat.