Die Gefahr ist noch nicht gebannt!
Wie so oft gibt es auch hier eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht zuerst: Der Berg kreißte und gebar bloß eine Maus. Mit anderen Worten: Die Entscheidung im Weißen Haus war nur lautes Gebrüll mit bescheidenen Konsequenzen für die Weltgemeinschaft und auch für den Iran. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.
Und das ist gut so. Der Atomdeal mit dem Iran war zweifelsohne die größte diplomatische Errungenschaft der vergangenen Jahre. Die Staatengemeinschaft hat gezeigt, dass auch ernsthafte Konflikte mit diplomatischem Geschick zu lösen sind. Man hat auch gesehen, dass die "Waffen der Diplomatie" abermals besser, humaner und kostengünstiger sind als "Diplomatie" mithilfe von Waffen. Eine durchaus lehrreiche Erfahrung für die Bewältigung anderer Konflikte. Zum Beispiel im Atomstreit mit Nordkorea.
Trumps Dilemma
Die Entscheidung im Weißen Haus, den Atomdeal mit dem Iran jetzt nicht zu kündigen, bedeutet im Klartext, dass die früheren Sanktionen gegen den Iran weiterhin ausgesetzt bleiben - mindestens für weitere 120 Tage. Im Oktober hatte US-Präsident Donald Trump noch anders entschieden. Er hatte dem Iran die Einhaltung des Atomabkommens nicht bescheinigt – eine Voraussetzung für den Bestand des Abkommens - und gab damit die Entscheidung an den US-Kongress ab. Der Kongress spielte den Ball wiederum ans Weißen Haus zurück. Trump hatte zwei Optionen: Wiederaufnahme oder Aussetzung der Sanktionen. Trump hat sich für die zweite Option entschieden.
Die andere Option könnte letztendlich das Ende des Atomdeals mit dem Iran bedeuten. Da jeder wusste, die europäischen Mächte eingeschlossen, dass das Abkommen mit dem Iran ohne die USA nichts wert ist. "Fünf plus Eins" - also die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrates und Deutschland, die gemeinsam mit dem Iran am Verhandlungstisch saßen - diese Konstellation hatte mal funktioniert. Aber "Sechs minus Eins", wenn also die USA aus der Runde ausscheren würden, wäre zum Scheitern verurteilt.
Botschaft der EU
Genau aus diesem Grund hatte sich Frankreichs Präsident Immanuel Macron kurz vor der Bekanntgabe der US-Entscheidung für die Erhaltung des Atomdeals mit dem Iran eingesetzt. Und nicht zuletzt hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini im Beisein der Außenminister von Deutschland, Großbritannien und Frankreich in einer gemeinsamen Botschaft in Richtung USA klipp und klar die Aufrechterhaltung des Abkommen mit dem Iran als unverhandelbar bezeichnet.
Schließlich geht es um nicht weniger als den Erfolg jahrelanger Verhandlungen. Dies alles war plötzlich in Gefahr. Denn es war klar, dass die Wiederaufnahme der Sanktionen gegen den Iran diesen diplomatischen Erfolg zunichtemachen würde.
Die schlechte Nachricht: Die befürchtete Entscheidung hat Donald Trump bloß vertagt. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Damit geht die unendliche Geschichte um Irans Atomabkommen erneut in die Verlängerung. Laut Ankündigung der US-Regierung soll es die letzte sein. Trump hat ein Ultimatum gesetzt: Der Kongress und die europäischen Partner haben nun 120 Tage Zeit dafür zu sorgen, aus Sicht des US-Präsidenten "gravierenden Fehler" des Atomvertrags zu beseitigen. Der Vertrag selbst müsste dazu neu verhandelt werden. Trump fordert, die Kontrollen und Inspektionen der Nuklearaktivitäten Irans auszuweiten und bereits geltende Maßnahmen, anders als vereinbart, unbefristet und dauerhaft durchzuführen. Die Drohung aus dem Weißen Haus steht weiter im Raum, das Atomprogramm sofort zu kündigen, falls die genannten Voraussetzungen nicht zeitnah durch die Verhandlungspartner erfüllt werden.
Was nun?
So weit so schlecht. Die viermonatige Verlängerung der Aussetzung der Sanktionen ist zugleich eine Verlängerung der Unsicherheiten, was eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Iran angeht. Vor allem werden Direktinvestitionen in der Öl- und Gasindustrie ausbleiben. Die Aussichten auf einen wirtschaftlichen Aufschwung geraten damit endgültig in Gefahr. Eine Entwicklung, die den iranischen Präsidenten Hassan Rohani - der als moderat gilt - und dessen Regierung folgenschwer unter Druck setzen dürfte.
Dass die Menschen im Iran mit ihrem Leben und der Regierung nicht zufrieden sind, haben wir im Spiegel der Ereignisse der vergangenen Wochen gesehen. Man kann und man muss die Machthaber Irans wegen brutaler Verletzung der Menschenrechte unter Druck setzen. Man kann und man muss etwas gegen das iranische Raketenprogramm sowie die wachsenden Einflüsse Irans in der Region unternehmen. Aber man darf gerade dieses Abkommen nicht kündigen, das Irans Aufstieg zur Atommacht verhindert. Denn ein Iran mit Fehlern, aber ohne Atomwaffen, ist allemal besser, als ein Regime, das wieder an der Bombe baut.
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